Full text: Wege zur physikalischen Erkenntnis (Band 2)

  
  
  
  
  
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66 Die Physik im Kampf um die Weltanschauung 
eigenen Erkennen niemals restlos untertänig ist, sondern ihm gegen- 
über stets das letzte Wort behält. 
Es bleibt also dabei, daß wir auf den Versuch, die Motive un- 
serer eigenen Willenshandlungen lediglich auf Grund des Kausal- 
gesetzes, also auf dem Wege rein wissenschaftlicher Erkenntnis, 
vorauszubestimmen, grundsätzlich Verzicht leisten müssen, und da- 
mit ist ausgesprochen, daß kein Verstand und keine Wissenschaft 
genügt, um eine Antwort zu geben auf die wichtigste aller F ragen, 
die uns im persönlichen Leben überall bedrängen, die F rage: wie soll 
ich handeln? 
Also scheidet mithin die Wissenschaft da, wo ethische Probleme 
ins Spiel kommen, ganz aus der Betrachtung aus? Eine einfache 
Überlegung zeigt, daß dies mit nichten zutrifft. Wir haben ja gleich 
anfangs gesehen, daß schon beim ersten Aufbau einer jeden Wissen- 
schaft, bei der Frage nach der zweckmäßigen Einteilung, zwischen 
Erkenntnisurteilen und Werturteilen sich ein unlöslicher wechsel- 
seitiger Zusammenhang offenbart, und daß eine Wissenschaft nie- 
mals vollständig zu trennen ist von der Persönlichkeit des F orschers, 
der sie betreibt. Und gerade die neuere Physik hat uns einen Finger- 
zeig gegeben, der noch deutlicher in dieselbe Richtung weist. Sie hat 
uns gelehrt, daß man dem Wesen eines Gebildes nicht auf die Spur 
kommt, wenn man es immer weiter in seine Bestandteile zerlegt und 
dann jeden Bestandteil einzeln studiert, da bei einem solchen Ver- 
fahren oft wesentliche Eigenschaften des Gebildes verlorengehen. 
Man muß vielmehr stets auch das Ganze betrachten und auf den Zu- 
sammenhang der einzelnen Teile achten. 
Nicht anders verhält es sich mit dem Inhalt des geistigen Lebens. 
Wissenschaft, Religion, Kunst lassen sich niemals vollständig von- 
einander trennen. Stets ist das Ganze noch etwas anderes als die 
Summe der einzelnen Teile. Das Nämliche gilt schließlich auch bei 
der Anwendung auf die ganze Menschheit. Es würe eine lücherliche 
Einfalt, wenn man versuchen wollte, durch das Studium auch noch 
so vieler einzelner Menschen einen Begriff zu bekommen von den 
Eigentümlichkeiten ihrer Gesamtheit. Denn jeder Einzelne gehórt 
zunüchst einer Gemeinschaft an, seiner Familie, seiner Sippe 
und seinem Volke, einer Gemeinschaft, der er sich ein- und unter- 
ordnen muf? und von der er sich niemals ungestraft loslósen kann. 
Daher ist auch jede Wissenschaft, ebenso wie jede Kunst und 
jede Religion, auf nationalem Boden erwachsen. Dafi man dies eine 
Zeitlang vergessen konnte, hat sich an unserm Volke bitter genug 
gerächt. 
Nun das ist ja alles wohlbekannt, kónnen Sie sagen, aber um das 
einzusehen, bedarf es nicht erst des Umweges über die Physik. 
Nein, ganz gewiß nicht. An dieser Stelle handelt es sich mir auch
	        
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