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Die Physik im Kampf um die Weltanschauung 67
nur darum, festzustellen, daß die physikalische Wissenschaft hier
keine Sonderstellung einnimmt, sondern in ganz dasselbe Ergebnis
und in die nämliche Anschauung einmündet, wie jede andere Wissen-
schaft, so verschieden auch die Ausgangspunkte sein mögen. Die
eigentliche Stärke ihrer Position zeigt nun aber die Physik bei der
weiteren Entwicklung unseres Gedankenganges. Denn bei ihr tritt am
klarsten und unzweideutigsten die Tendenz auf, sich von ihrem
spezielleren Ursprung aus nach allen Richtungen zu erweitern und
auszudehnen, ähnlich wie ein in gesundem Wachstum begriffener
Baum das Bestreben hat, mit seinem Wipfel sich immer weiter in die
Luft zu erheben und seine Zweige nach allen Seiten auszustrecken,
während doch seine Wurzeln fest im Grunde haften bleiben. Eine
Wissenschaft, die nicht fähig oder willens ist, über das eigene Volk
hinauszuwirken, verdient nicht ihren Namen. In dieser Beziehung hat
es nun die Physik entschieden leichter als andere Wissenschaften.
Denn daß die Naturgesetze in allen Ländern der Erde die nämlichen
sind, kann niemand bestreiten. Daher braucht die Physik nicht erst
um ihre internationale Bedeutung zu kämpfen, wie z. B. die Ge-
schichtswissenschaft, bei der man sogar in Zweifel gezogen hat, ob
es überhaupt einen Sinn habe, von dem idealen Ziel einer objektiven
Geschichtsschreibung zu sprechen. Und wie die Wissenschaft, so
hebt sich auch die Ethik über das einzelne Volk hinaus. Wie wäre
auch sonst ein gesitteter Verkehr zwischen Angehörigen verschie-
dener Völker möglich? Auch auf diesem Gebiete ist die Stellung der
Physik stark und entschieden. Ihre wissenschaftliche Widerspruchs-
losigkeit enthält unmittelbar die ethische Forderung der Wahrhaftig-
keit und der Ehrlichkeit, die gleichfalls für alle Kulturvölker und für
alle Zeiten Geltung besitzt und daher den Rang der ersten und vor-
nehmsten Tugend beanspruchen darf. Ich glaube nicht zuviel zu
sagen, wenn ich behaupte, daß eine Sünde gegen dieses sittliche Ge-
bot in keiner Wissenschaft schneller entlarvt wird als gerade in der
Physik. ; :
In erschreckendem Gegensatz dazu steht die gedankenlose und
bequeme Nachsicht, mit welcher derartige Sünden in unserem täg-
lichen Leben hingenommen werden. Ich meine hier nicht die so-
genannten konventionellen Lügen. Die sind im Grunde harmlos und
im täglichen Umgang bis zu einem gewissen Grade wohl nicht gut zu
entbehren. Denn durch eine konventionelle Lüge wird niemand ge-
täuscht, eben weil sie konventionell ist. Das Unsittliche fängt erst
da an, wo die Absicht besteht, den Angeredeten zu hintergehen, ihm
unrichtige Vorstellungen beizubringen. In diesem Punkt unnachsicht-
lich zu säubern und namentlich selber mit gutem Beispiel voranzu-
gehen sind in erster Linie diejenigen berufen, die an verantwortlichen
Stellen zu wirken haben.
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