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330 VI. Elektrizität
548. Auch Kolloide laden sich in den suspendierenden Flüssigkeiten
elektrisch. Der Strom schiebt sie also in bestimmter Richtung, d. h. sie
zeigen elektrische Kataphorese. Das verschiedene Vorzeichen der La-
dung ist durch diesen Vorgang selbst leicht zu bestimmen.
Solche Kataphoresen dürften bei verschiedenen physiologischen Vorgängen mitspielen,
Rote und weiße Blutkörperchen des Menschen wandern je nach der Flüssigkeit, in der sie
in Suspension sind, zur Kathode oder Anode; auch der Galvanotropismus, das Ein-
stellen mancher organischer Gebilde in die Stromrichtung, gehört vielleicht in dieses
Kapitel.
Beim Vermischen kolloidaler, sog. ‚„‚Pseudolösungen‘‘, fällen einander jene Kol-
loide aus, welche entgegengesetzt geladen sind. Man kann Ausfällungen oder Aus-
flockungen von Kolloiden auch durch Zusatz von entgegengesetzt geladenen Ionen
bewirken. Kolloidales Eisenhydroxyd wird z.B. durch geringen Zusatz von gut leitender
Salzsäure ausgefällt.
Das Gebiet der Kolloidchemie ist physiologisch von größter Wichtigkeit. Auch
in Bakteriensuspensionen, in eiweißhaltigen Flüssigkeiten usw. finden durch andere Kol-
loide oder durch Elektrolyte Ausflockungen oder Koagulierungen statt. Bei Nerven- und
Muskelreizung, bei Wirkung von Immunserum, von Toxin und Antitoxin usw. sind wohl
überall ähnliche Vorgänge im Spiel.
Elektrische Wirkungen chemischer Vorgänge.
549. Konzentrationsströme. Wir denken uns eine konzentrierte
Salzsáurelósung (HCl) und darüber eine verdünnte (Fig. 407).
Es findet dann eine Diffusion von HCI aufwärts durch das Lósungs-
mittel H,O statt. Nun diffundieren aber, wie wir jetzt wissen, die Ionen.
Es gehen hier die rascheren positiven H-Ionen schneller von B nach 4
als die langsameren negativen Cl-Ionen. 4 wird so positiv und B, in dem
ein UberschuB von negativen Cl-Ionen zurückbleibt, wird negativ.
Wenn wir zwei Elektroden, z. B. Kohle oder Platin, a und 5, ein-
führen, die außen durch einen Leiter L verbunden sind, so fließt dann die
positive Ladung der in 4 überschüssigen H-Ionen durch aLb nach B
(die negative Ladung der in B überschüssigen Cl-Ionen durch bLa nach
A); dadurch werden die entsprechenden Ionen entladen
TN und gehen in elementares H, und elementares CL, über,
| die entweichen. Ein Strom von zunächst konstanter
| Stärke entsteht durch diesen Vorgang deshalb, weil
|Z zunächst in der Zeiteinheit die gleiche Zahl überschüs-
| siger Cl-Ionen in B zurückbleibt. Der Strom dauert so
lange in immer abnehmender Stärke, bis der Konzentra-
= bE == A 2 » . i :
à rent tionsunterschied sich ausgeglichen hat. Das Potential
ni is von d und B se P, und P,. Es muD P, P, sein,
Fig. 407. NU : gs
weil ja der Strom immer von Orten hoheren Poten-
tiales zu Orten niederen Potentiales flieBt mit Ausnahme jener
Trennungsfläche, wo eben dieelektromotorische Kraft wirkt, welche
die Potentialdifferenz P, — P, immer wieder herstellt. So fließt auch