Full text: Lechers Lehrbuch der Physik für Mediziner, Biologen und Psychologen

   
  
  
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Hebel. Freiheitsgrade. Schiefe Ebene 20 
  
  
Bei einfachen Gelenken von Lebewesen ist ein hôherer Freiheitsgrad als drei nicht 
bekannt. 
Die Glieder des tierischen Organismus sind aber aus zwei oder mehr gelenkig verbun- 
denen Abschnitten zusammengesetzt. Fig. 33 zeigt die Wirkung eines zwischen drei ge- 
lenkig verbundenen Gliedern gespannten Muskels m, der I und III mit der Kraft P, bzw. 
der gleich großen (actio oder reactio) Gegenkraft P, zusammenzieht. P, weckt die gleich 
groDe Gegenkzaft P,, diese P,; so stark wird das Gelenk g, nach rechts gedrückt. P, weckt 
die Gegenkraft P;, diese P,; so stark wird das Gelenk g, nach links gedrückt. Alle P sind 
gleich groB (Kráftepaare $8 33). Die wirkenden Kráftepaare sind hier für I .. . P- a,, für 
IT...P-:3. für IIl... Peg. Ceteris paribus 
wird I am stárksten, II am schwáchsten gedreht. 
des 
Betrachten wir das Zusammenwirken mehrerer 
Gelenksabschnitte beim tierischen Skelette, so 
kommen wir zu sechs Freiheitsgraden. Die Hand 
z. B. kann gegen den Rumpf alle beliebigen Be- 
wegungen innerhalb eines durch die Länge und Lage 
der Knochen bestimmten Raumbezirkes ausführen, 
ebenso die Finger. Sie haben sechs Grade von 
Freiheit. 
Bei Gelenken des tierischen Organismus ist der Raum zwischen den Gelenken, also 
z. B. zwischen Kugel und Kugelhöhle, ausgefüllt mit einer deformierbaren Knorpelschicht, 
und die Betrachtung der toten anatomischen Präparate stimmt nicht immer mit den am 
lebenden Wesen beobachteten Bewegungsmöglichkeiten überein. 
36. Die mechanische Funktion unserer Muskeln und der mehr als 
200 Knochenhebel unseres Kórpers stellen den Anatomen und Physio- 
logen vor oft sehr schwere physikalischeAufgaben. O. Fischer!) 
hat in zahlreichen Untersuchungen Formeln gegeben, welche für die 
Gleichgewichtslehre, d.h. für die Drehmomente noch verhältnismäßig 
übersichtlich sind, die aber für die Dynamik der Lokomotion wegen 
Berechnung der Schwerpunktslage, Trágheitsmomente (8$ 41), wegen der 
verschiedenen Bewegungsmóglichkeiten u. dgl. sehr kompliziert werden. 
37. Schon Stevinus leitete (1600) die Gesetze der schiefen Ebene aus 
dem Gesetze der Erhaltung der Energie ab, das ihm und anderen 
Forschern damals schon als selbstverstándlich galt. B 
Diese elegante Ableitung Stevinus’ war folgende: 
Denken wir uns eine schiefe Ebene bc (Fig. 34); 
ab ist die Höhe und dc die Länge. Legen wir nun 
eine in sich geschlossene ganz gleichförmige Kette 
ABC um diese schiefe Ebene, so muß sie im Gleich- 
gewichte sein; denn würde Bewegung eintreten, 
so hätten wir ein Perpetuum mobile, weil beim Ab- 
gleiten einiger Kugeln bei C ebenso viele Kugeln bei B wieder auf die 
schiefe Ebene kämen. 
I) Seine zahlreichen Untersuchungen sind im Auszuge zusammengefaft in ,, Kinematik 
organischer Gelenke“, Leipzig 1907. 
  
  
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