Full text: Vorlesungen über Thermodynamik

  
  
  
  
  
238 Anwendungen auf spexielle Gleichgewichtsxustände 
S 258. Mittels der Gleichung (218) lassen sich für ein 
chemisch veránderliches System so viel Gleichgewichtsbedingungen 
aufstellen, als Arten von Veràánderungen móglich sind, wobei 
natürlich jedesmal die Größe X einen anderen Wert hat. Dies 
entspricht ganz den Forderungen der allgemein gültigen GrsBs- 
schen Phasenregel (8 204. Dabei muß man die Zahl der im 
System vorhandenen Molekülarten wohl unterscheiden von der 
Zahl der unabhängigen Bestandteile des Systems (8 198) Nur 
die letztere ist für die Bestimmung der Anzahl und Art der 
möglichen Phasen entscheidend, während die Zahl der Molekül- 
arten bei der Anwendung der Phasenregel gar keine Rolle spielt. 
Denn durch Berücksichtigung einer neuen Molekülart wird zwar 
die Zahl der Variabeln vermehrt, dafür wächst aber auch die Zahl 
der im System möglichen chemischen Umwandlungen und damit 
auch die der Gleichgewichtsbedingungen in demselben Betrage, 
so dab die Anzahl der unabhàngigen Variabeln davon ganz un- 
berührt bleibt. 
$ 259. Die Gleichung (218) lehrt ferner, dab beim Gleich- 
gewicht, vom allgemeinen Standpunkte aus betrachtet, alle im 
ganzen System überhaupt möglichen Molekülarten in jeder 
einzelnen Phase in endlicher Zahl vertreten sind, daß z. B. in 
einem aus einer wäßrigen Lösung ausgefallenen festen Nieder- 
schlag immer auch Wassermoleküle vorkommen, ja daß sogar 
bei der Berührung fester Körper, sobald man nur hinreichend 
lange wartet, eine teilweise Auflösung des einen in dem andern 
eintritt. Denn die für das Gleichgewicht maßgebende Größe K 
besitzt nach ihrer Definition (218) für jede überhaupt mögliche 
chemische Veränderung einen bestimmten endlichen Wert, und 
es kann daher nach der Gleichung (218) keine der Konzen- 
trationen c genau gleich Null werden, solange Temperatur 
und Druck endlich bleiben. Diese durch die Thermodynamik 
bedingte prinzipielle Auffassung hat sich schon nach ver- 
schiedenen Seiten hin fruchtbar gezeigt, wie z. B. in der Er- 
klärung der Tatsache, daß weder ein Gas, noch eine Flüssig- 
keit, noch auch ein fester Körper jemals vollständig. von den 
letzten Spuren fremder gelöster Stoffe befreit werden kann. 
Aus ihr folgt auch, daß es im absoluten Sinne keine semi- 
permeable Wand geben kann. Denn unter allen Umständen 
wird sich mit der Zeit die Substanz der Wand mit jedem der 
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
   
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.