Full text: Abhandlungen zur Thermodynamik

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Die Thermodynamik chemischer Vorgänge. 19 
Die Berechnung der freien Energie lässt sich der Regel 
nach nur bei solchen Veränderungen ausführen, die im Sinne 
der thermodynamischen Betrachtungen vollkommen reversibel 
sind. Dies ist der Fall bei vielen Lösungen und Mischungen, 
die innerhalb gewisser Grenzen nach beliebigen Verhältnissen 
hergestellt werden können. Auf solche beziehen sich zum 
Beispiel die von G. Kirchhoff*) über Lösungen von Salzen und 
Gasen angestellten Untersuchungen.?!) Für die nach festen 
Aequivalenten geschlossenen chemischen Verbindungen im enge- 
ren Sinne dagegen bilden die elektrolytischen Prozesse zwischen 
(24] unpolarisirten Elektroden einen wichtigen Fall reversibler 
Vorgänge. In der That bin ich selbst durch die Frage nach 
dem Zusammenhange zwischen der elektromotorischen Kraft 
solcher Ketten und den chemischen Veränderungen, die in 
ihnen vorgehen, zu dem hier zu entwickelnden Begriffe der 
freien chemischen Energie geführt worden. Denn auch hier 
drängen sich Fragen auf wie die, ob und wann die latente 
Wärme der bei der Wasserzersetzung sich entwickelnden Gase, 
oder die durch Auskrystallisiren eines bei der Elektrolyse er- 
zeugten Salzes frei gewordene Wärme auf die elektromotorische 
Kraft Einfluss habe, oder nicht. Die von mir am 26. November 
1877 gemachte Mittheilung »über galvanische Ströme verursacht 
durch Concentrationsunterschiede« fällt schon in dieses Gebiet 
hinein. 25) 
Die Vorgänge in einem constanten galvanischen Elemente, 
welche bei verschwindend kleiner Stromintensität vor sich 
gehen, wobei man die dem Widerstand und dem Quadrat dieser 
Intensität proportionale Wärmeentwicklung im Schliessungs- 
drahte als verschwindende Grössen zweiter Ordnung vernach- 
lässigen kann, sind vollkommen reversible Prozesse und müssen 
den thermodynamischen Gesetzen der reversiblen Prozesse 
unterliegen. Wenn wir ein galvanisches Element von gleich- 
mässiger absoluter Temperatur à (d. h. Temperatur gerechnet 
von — 273° C. als Nullpunkt der Scala) haben, so wird dessen 
Zustand, wenn das elektrische Quantum dz hindurehgeht, da- 
durch verändert, dass eine dieser Grösse de proportionale 
chemische Veränderung eintritt, und wir können den Zustand 
des Elements betrachten als definirt durch die Menge von 
Elektricität £, die in einer bestimmten, als positiv angenom- 
menen Richtung durch dasselbe hindurchgegangen ist. Wenn 
*! Poggendoríff's Annalen Bd. 108, S. 171 u. 206. B d. 104, S. 612. 
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