104 Ferdinand von Leſsſeps.
einer erlauchten, von allen Kulturnationen zuſammengesettten Festver-
sammlung unter beispiellos großartigen Feierlichkeiten dem Verkehr über-
geben wurde, da war der Name des Mannes, der all dies Herrliche vollendet,
der Name des Franzoſen Ferdinand von Lesſeps, in aller Welt Munde, bis
die ungeheuren Ereignisse des nächstfolgenden Jahres die Blicke der Menſchen
von der Scheidestelle dreier Erdteile wieder ab- und auf den Schauplatz
des großen deutſch-französiſchen Ringens hinlenkten. ~ Ein trauriges Schicksal
hat Lesſeps nicht vergönnt, auf der Sonnenhöhe seines Ruhmes zu sterben,
häßliche Vorgänge haben Jahrzehnte später den Glanz seines Namens wieder
verdunkelt und den fast Neunzigjährigen ins Unglück gestürzt, an dem nur
der kleinſte Teil der Schuld ihm wirklich selbſt zur Last fiel. Mit tiefem
Widerwillen muß man zurückblicken auf jene beſchämenden Ereignisse,
welche die Geschichte unter dem Namen „Panamaskandal“ zuſammengefaßt
hat, und aufrichtiges Mitleid muß uns erfassen mit dem alten, großen Mann,
der vom Strom der Ereigniſſe in diese Schlammflut mit hineingerissen
wurde, und dessen reichgeſegnetes, ſchönes und harmoniſches Leben mit
einer so ſchrillen Diſſonanz ſchloß. ...
Ferdinand Baron (später Graf) von Leſſeps war geboren zu Versailles
am 19. November 1805. Sein Geschlecht, das seit dem Ende des 14. Jahr-
hunderts in Frankreich nachweisbar ist, ſtammte wahrscheinlich ursprünglich
aus Schottland und dürfte unter dem engliſchen König Eduard III. oder
ſeinem Nachfolger Richard II. mit den Engländern nach Frankreich gekommen
ſein, als große Teile dieses Landes englischer Beſit geworden waren, darunter
auch die Provinz Guyenne mit der Stadt Bayonne, in der Leſſeps’ Vor-
fahren jahrhundertelang ansässig waren. Der Name der Familie begegnet
uns in den mannigfachſten Schreibarten: le Ceps, de Ceps, Lecept,
Leſſep, Leſſeps uſw. Zuerst tritt er uns im Jahre 1388 entgegen, wo ein
Leſſeps in Bigorre für den Grafen von Foix ins Feld zog. Seit dem 15. Jahr-
hundert ist eine ziemlich große Zahl von Trägern des Namens nachzuweisen.
Am berühmtesten unter ihnen war Jean Baptiste Barthélemy Baron de
Lesſeps, ein Onkel unseres Helden, der am 27. Januar 1766 in Cette ge-
boren wurde und am 6. April 1834 als Generalkonſul in Liſſabon starb;
er begleitete die Expedition des Grafen Lapérouſe auf ihrer geplanten
Weltumseglung und entging als einziger Teilnehmer dem tragiſchen Schicksal
der übrigen (sie gingen 1788 bei einem Schiffbruch in der Nähe der Insel
Vanikoro zugrunde), indem er von Kamtschatka aus, wo die Expedition im
September 1787 Petropawlowsk angelaufen hatte, in Lapérouſes Auftrag
die bis dahin vorliegenden Reiseberichte und wertvollen Dokumente der