130 Ferdinand von Leſſeps.
Preußen u. a. Nur eine Kulturnation blieb gefliſſentlich dem ſtolzen
Freudenfest ſchmollend fern, die engliſche! England, das heute unter allen
Nationien den größten Vorteil von Leſſeps' Werk genießt, das heute der
Herr des Suezkanals iſt, war ~ unbegreiflich, aber wahr! ~ bei den Er-
öffnungsfestlichkeiten überhaupt nicht vertreten! –~ Der inneren Bedeutung
der Feierlichkeit entſprach der äußere Aufwand: Jsmail Paſcha verwendete
auf die Ausgestaltung des Festes die nette Kleinigkeit von 20 Millionen
Francs! Am 16. November begannen die Feste in Port Said, am 17. lief
die verſammelte, aus 80 Schiffen der verſchiedenſten Nationen gebildete
Flotte in den neuen Suezkanal ein und durchfuhr ihn unter endloſen
Ovationen von Hunderttauſenden von Zuſchauern vollständig.
Es regnete Orden, Auszeichnungen und Ehrengaben auf Ferdinand
de Leſſeps herab, der während dieſer denkwürdigen stolzen Fahrt seinen
64. Geburtstag feiern durfte; die Kaiſerin Eugenie, die an ſeiner Seite den
ganzen Kanal durchfuhr, überreichte ihm u. a. perſönlich den Kordon des
Großkreuzes der Ehrenlegion. Es iſt unmöglich, hier auch nur die wesent-
lichſten unter den Lesseps zuteil gewordenen Auszeichnungen und Sympathie-
kundgebungen aufzuzählen. Er selbst ſchuf ſich die Krönungſeinereineinhalb-
jahrzehntelangen, raſtloſen Tätigkeit für den Suezkanal, indem er unmittelbar
nach Beendigung der Festlichkeiten eine zweite Ehe einging: am 25. November
vermählte er ſich in IJsmailia mit einer jungen, ſchönen Kreolin von vor-
nehmer Herkunft, Louiſe Hélene Autard de Bragard, die aus Mauritius
stammte und 1869 21 Jahre alt war. Aus dieſer zweiten Ehe des bereits
64jährigen Lesseps gingen noch zwölf Kinder hervor, ſechs Knaben und ſechs
Mädchen, die, mit Ausnahme einer früh verſtorbenen Tochter, ſämtlich den
Vater überlebten. Das jüngste unter dieſen kam erſt zur Welt, als der
Vater bereits seinen s0te! Geburtstag gefeiert hatte.
Die neue Che ſollte, nach Leſſeps' Wunſch, nicht etwa der wohlverdiente
Ruhehafen nach einem arbeitsreichen Leben sein. Die erstaunliche Rüſtig-
keit dieses „Greiſes“ zeigte ſich vielmehr deutlich genug in seiner weiteren
Tätigkeit, wobei die Fürsorge für den Suezkanal obenan stand. Gerade in
den ersten Jahren nach der Eröffnung des Kanals machte die Kanalgeſell-
ſchaft keine leichten Zeiten durch; aber die ſieghafte Größe des Werkes
ermöglichte die Überwindung aller Schwierigkeiten: die Benutzung des
Kanals übertraf die kühnsten Hoffnungen um ein Vielfaches, die Schiffe
aller Nationen durchfuhren den Suezkanal, und weitaus am häufigsten ~
die engliſchen! Der Umſchwung der Stimmung in England, wo Lesseps
zunächſt bei seinem persönlichen Beſuch im Jahre 1870 und auch noch