Full text: Das Buch berühmter Ingenieure

   
Ferdinand von Lesſeps. 131 
ſpäter Gegenstand außerordentlicher Ehrungen war, mag dem großen Mann 
nicht der kleinſte Triumph gewesen sein. Der Umschwung des englischen 
Urteils über das „Schwindelunternehmen“, bei dem „kein Pfennig“ heraus- 
zuholen sei, war so vollständig, daß der damalige englische Premierminister 
Disreali, der ſpätere Earl of Beaconsfield, heimlich jede irgendwie erreich- 
bare Suezkanal-Aktie aufkaufen ließ und schließlich 1875, unter dem Beifall 
ſeiner Landsleute, 177 602 Aktien des Vizekönigs Ismail Paſcha, der der 
Hauptaktionär und damals in starken Geldverlegenheiten war, auf einmal 
erwarb. Damit war mehr als die Hälfte der Aktien in Händen der englischen 
Regierung, und somit wurde denn bald darauf das gewaltige Werk der Fran- 
zoſen vollständig zu einem engliſchen Unternehmen gemacht, das es bis auf 
den heutigen Tag geblieben iſt. Wahrlich nicht zum Schaden der Sache! 
denn als engliſches Unternehmen bietet der Kanal die sicherste Gewähr, daß 
er ſtets auf der Höhe der Zeit stehen und im Frieden den Handelsschiffen 
aller Nationen gleichmäßig offen stehen wird ~ aber dennoch ist es eine 
Ungerechtigkeit der Weltgeſchichte, daß die goldenen Früchte franzöſiſcher 
Arbeit und franzöſiſchen Genies nunmehr einer anderen Nation zugute 
kommen, und zwar gerade derjenigen Nation, die dem Zustandekommen 
des großen Werkes unaufhörlich Steine in den Weg gerollt hatte! Die 
(zumeist engliſchen) Aktionäre erzielten in dem bisher gewinnreichsſten 
Jahre, 1898, aus dem „Schwindelunternehmen“ allein einen Reingewinn 
von 85 294 769 Francs! Die Dividende, die an die Aktionäre zur Aus- 
zahlung gelangte, betrug in den letten Jahren, nachdem der Kanal noch 
mehrfach erweitert und vertieft worden war, durchschnittlich 71 Prozent ! 
Bis zum Ausbruch des deutſch-franzöſiſchen Krieges war Leſſeps der 
Held Europas. In Frankreich brachte ihm das ganze Volk in seltener 
Cinmütigkeit jubelnde Sympathien entgegen, wie ſie seither unter den 
Friedenshelden wohl nur noch Graf Zeppelin in Deutſchland gleich einmütig 
und gleich lebhaft gefunden hat. 
Die ſchwere Zeit des Krieges von 1870/71 verlebte Leſseps, deſſen 
Patriotismus in dieſen Monaten tiefſchmerzliche Eindrücke empfing, in 
Paris; er weilte am Vormittag des verhängnisvollen 4. September, der 
die Nachricht der Kataſtrophe von Sedan und damit das Ende des Napo- 
leoniſchen Kaiſertums brachte, in den Tuilerien, in der Umgebung der 
Kaiſerin Eugenie, der er bei ihrer Flucht nach Möglichkeit behilflich war. 
Während der Triumphfahrt durch den Suezkanal im November des Vor- 
jahres hatte ſie ihn eingeladen, ſie in den Tuilerien zu beſuchen + am Tage, 
da der Kaiſerthron in Trümmer brach, kam er dieſer Einladung seiner Nichte 
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