Henry Besſemer. 175
Sie bat nun ihren Bruder Henry, der eine schöne Zierschrift zu ver-
fertigen imstande war, ihr die Mappe mit der gewünſchten Aufschrift zu
versehen. Henry war gern hierzu bereit; die Mappe gefiel ihm aber derartig,
daß er ſich ſcheute, gewöhnliche Tinte für die Ausschrift zu verwenden:
er ſuchte nach einem besonderen Zierat. Er erinnerte ſich nun, einst Gold-
pulver gesehen zu haben, wie es die Japaner anwenden, und ging in ein
Geschäft, um ſich ſolches zu kaufen. Zu seiner unangenehmen Überraſchung
mußte er für eine Unze davon ſieben Schilling bezahlen. Er konnte nicht
begreifen, weshalb das Pulver ſo teuer war, zumal, da er ſich überzeugte,
daß echtes Gold gar nicht darin vorhanden war. Seine Nachforſchungen,
wie das Pulver hergestellt werde, blieben vergeblich; er erfuhr nur, daß
es hauptsächlich aus Nürnberg komme, und daß die Fabrikation als tiefes
Geheimnis betrachtet werde. Es gelang ihm, auf dem Britiſchen Muſeum
in alten Werken eine Beschreibung des Fabrikationsprozeſſes zu finden,
das ein äußerſt umständliches und langwieriges Verfahren darstellte. Er
dachte nun weiter über die Sache nach und gelangte ſchließlich, nach langem
und angestrengtem Grübeln zu einem wesentlich beſſeren, einfacheren und
billigeren Verfahren zur Herstellung von Bronzepulver. Er zog ſeinen
Freund James Young ins Geheimnis, und dieſer redete ihm zu, die Er-
sindung fabrikmäßig zu verwerten. Beſſemer ging darauf ein, wünſchte
aber die Erfindung völlig geheim zu halten, so daß er nicht einmal ein Patent
darauf nachſuchte, um nicht die Methode öffentlich bekannt machen zu
müssen und andere zur Nachahmung und Verbesserung anzureizen. Um
auch nicht auf die zweifelhafte Verschwiegenheit des Werkperſonals an-
gewiesen zu sein, das bekanntlich ost gegen lohnende Bestechungsverſuche
nicht sehr widerstandsfähig zu sein pflegt, engagierte er die drei jungen
Brüder seiner Frau mit hohem Gehalt als Gehilfen, auf deren Versſchwiegen-
heit er unbedingt bauen konnte. Die einzelnen Teile der nötigen Maſchine
ließ er, damit niemand in der Lage sei, in sein Geheimnis einzudringen,
an ganz verſchiedenen Orten Großbritanniens nach besondereu Zeichnungen
anfertigen, einige in Manchester, einige in Glasgow, in Liverpool, in Lon-
don, um ſie ſchließlich selber zuſammenzuſezen. Mit Hilfe dieser außer-
ordentlich umfassenden Vorsichtsmaßregeln gelang es ihm tatſächlich, ſein
nicht patentiertes Geheimnis länger als vierzig Jahre hindurch vollkommen
für ſich zu bewahren und sehr viel Geld daran zu verdienen. – So war
der unbedeutende Wunſch der Schwester und Henrys Streben, ihr gefällig
zu sein, von einer entscheidenden Bedeutung für Beſſemers ganzes Leben
geworden. Er ſelbſt ſagte von diesem Ereignis: „Es änderte den ganzen