202 John Fowler.
ingenieur für Eiſenbahnbauten niederzulaſſen. Es war gerade die Zeit der
Hochflut der engliſchen Eiſenbahnbau-Epidemie, die etwa ums Jahr 1845
anzuſeßen iſt. So wurden denn die reichen Erfahrungen, die Fowler ge-
sammelt hatte, eifrig begehrt, zumal da er mit großer Sachkenntnis Be-
ſonnenheit und Klarheit des Urteils verband, und eine sehr große Reihe
von kleinen und großen Bahnprojekten und damit zuſammenhängenden
Unternehmungen beschäftigten ihn in den folgenden Jahren. Hatte er zu
Beginn seiner neuen Tätigkeit, 1844, nur erſt mit drei geplanten Bahn-
linien zu tun, ſo stieg deren Zahl 1845 auf 12, 1846 auf 36, 1847 auf 38 uſw.
Bezeichnend sowohl für die Hitze des in England grassierenden Eiſenbahn-
fiebers wie für das Ansehen, desſen ſich der noch nicht dreißigjährige
Zivilingenieur Fowler schon damals erfreute, iſt die nachfolgende kleine
Geschichte, die Fowler selbst späterhin gern und oft erzählte.
Als er gerade einmal zu Besuch im elterlichen Heim in Wadsley Hall
weilte, fuhr mitten in der Nacht ein mit vier Pferden beſpannter Wagen
vor dem Hauſe vor, und John Fowler wurde aus dem Schlaf gestört. Der
Ankömmling erschien, um ihm das Anerbieten zu machen, eine Eiſenbahn von
Leeds nach Glasgow zu bauen und ihmſ ogleich eine Anweisung auf 20000 Pfd.
(400 000 Mark) für alle Auslagen, die er haben werde, zu überbringen.
Da er aber gleichzeitig die Bedingung stellen mußte, daß in ganz wenigen
Wochen, einer unsinnig kurzen Zeit, ein fertig ausgearbeitetes Projekt vor-
liegen müsse, lehnte Fowler ab, und der Viererjagte zurück in die dunkle Nacht.
In den folgenden Jahren, wo das wilde Spekulationsfieber im Eisen-
bahnbauweſen ſich ganz Englands bemächtigt hatte, das zum Teil auch unge-
mein schwere wirtschaftliche Krisen nach ſich zog, war John Fowler natürlich
unausgesett ſtark in Anspruch genommen, und Eiſenbahnpläne, Eiſenbahn-
politik, Eiſenbahngutachten uſw. füllten bis 1850 seine Zeit ziemlich voll-
ſtändig aus. Dasjenige Gebiet, auf dem er ſpäter seine großartigsten
Leistungen vollbrachte, das des Brückenbaues, war ihm bis dahin so gut
wie gänzlich fremd geblieben. Sein erster Verſuch auf diesem Gebiet war
für ihn auch mit mancherlei Unannehmlichkeiten und Sorgen verknüpft. ~
Beim Bau einer Bahn zwiſchen Leveston und Saxelby für eine Privatgeſell-
schaft, die „Manchester, Sheffield and Lincolnshire Railway“ im Jahre
1849 baute nämlich Fowler auch eine gußeiserne Eiſenbahnbrücke über den
Trent bei Torksey, die ein ganz neues Prinzip, die sogenannte „Stoßbrücke“
verwirklichte. Alles ging glatt, und es schien, als ob die Bahn am 1. Januar
1850 werde eröffnet werden können da aber legte der ſtaatliche Abnahme-
beamte, der damalige Kapitän der Royal Engineers und ſpätere Feld-