244 Nikolaus Riggenbach.
angenehme Tage verlebte, währte über ſieben Monate: erst am 1. Mai 1866
kam er wieder nach Olten zurück. Die Reiſe hatte für die Idee seiner Zahn-
radbahn eine große Förderung bedeutet: in Amerika hatte er die zähe
Energie der Yankees kennen und bewundern gelernt, und er nahm ſich nun
vor, im Kampf für seinen Gedanken ihnen nachzuſtreben und nicht zu
erlahmen, bis er ſeinen Willen durchgeſeßzt habe. So wanderte er mit
ſeinem Modell umher und suchte das zum Bau der Rigibahn nötige Kapital
zuſammenzubringen. Und er hatte schließlich Erfolg: es bildete ſich eine
Gesellſchaft zum Bau der Bahn Viznau-Rigi-Kulm, und einige wohl-
wollende Bankiers ſchoſſen eine Summe von 11/4 Millionen Francs vor.
Besonders Oberst Näff aus St. Gallen machte ſich um das Zustandekommen
der erſten europäiſchen Zahnradbahn hochverdient.
Während man 1869 mit den Arbeiten an der Rigibahn beschäftigt war,
ſandte der ſchon erwähnte Generalkonſul Hit; aus Washington die Nachricht
an Riggenbach, daß ein ganz ähnliches Syſtem soeben auch von einem
amerikaniſchen Ingenieur Marsh beim Bau einer Bahn auf den Mount
Washington angewandt werde. Neidiſche Zungen haben später behauptet,
Riggenbach habe bei seinem Aufenthalt in Nordamerika Marſhs System
kennen gelernt und ihm die Erfindung gewissermaßen gestohlen. Die Be-
hauptung ist ſo ſinnlos wie möglich, und Marsh ſelbſt hat, als Riggenbach
ſein Zahnradſyſtem 1872 auch in Amerika patentieren ließ, unumwunden
die Priorität und Selbständigkeit des Schweizer Erfinders anerkannt, deſſen
erſtes franzöſiſches Patent ja ſchon sechs Jahre, bevor Marsh seine erste
Bahn baute, erteilt worden war.
Am Tage, da Riggenbach sein 53. Lebensjahr vollendete, am 21. Mai
1870, fand die erſte Probefahrt der Rigibahn statt, und wie ein glückver-
heißendes Vorzeichen berührte es dabei, als ein blühender Birnbaum, mit
deſſen einem Zweig die fahrende Lokomotive karambolierte, die Maſchine
mit einem wahren Regen von Blütenblättern übersſchüttete. – Der große
deutſch-franzöſiſche Krieg verzögerte unerwarteterweisſe die endgültige Er-
öſssnung der Bahn: aus Ars bei Mey sollte noch ein größerer Posten Schienen
ſsür die Rigibahn geliefert werden, aber diese Schienen wurden von den
anrückenden Deutschen mit Beschlag belegt und dienten ihnen zum Teil sogar
als Faſchinen bei ihren Belagerungswerken. Es bedurfte erst eines Ein-
greifens des deutſchen Gesandten beim Schweizer Bundesrat, des Generals
v. Röder, um die beschlagnahmten Schienen wieder frei zu bekommen. Somit
verzögerte ſich die Fertigstellung der Rigibahn, jedoch nicht auf lange: am
Jahrestage der erſten Probefahrt, wieder an einem Geburtstage Riggen-