73. Marcellus-Theater. Rom
Die Bilder der Sage spielen im freien Gelände. Fels und Strauch, Nähe und
Ferne gehören mit zum Geschehen. Die Figuren sind auf dem Bildfeld frei und
locker verteilt. Ganz anders sind die Friese mit dem Opferzug (Abb. 81). Hier ist
kein Stück Landschaft oder Architektur zu finden, keine Geräumigkeit und Weite
anzutreffen. Dicht über den Köpfen der Figuren ist das Bild zu Ende. Eng drängen
sich die Körper zusammen, schieben sich die Menschen vor: und hintereinander.
so daß sich keine Bewegung in die Tiefe entfalten, daß sich kein Raum bilden kann.
Die Reliefbewegung wird getragen von dem prächtigen Spiel der Falten, welche die
Plastik der Körper mehr verhüllen als herausmodellieren. Es ergibt sich also der
merkwürdige Befund, daß die Darstellungen aus dem römischen Leben weniger
naturalistisch sind als jene aus der sagenhaften Geschichte. Konnten wir als ein
Merkmal italischer Kunst das Räumliche nennen, so sehen wir hier beim Relief der
Augustus-Zeit eine offenbar rein flächige Art.
Deutlicher als beim figürlichen Relief ist diese stilistische Eigenart zu fassen
bei den ornamentalen Platten (Abb. 78). Die Akanthosranken legen sich flach und
glatt auf die Wand. Nirgends ist ein Herauskommen aus dem Reliefgrund oder ein
Verschwinden in die Tiefe zur Darstellung gebracht. Die Ranken sind ausgebreitet
wie in einem Herbarium, so daß die Fläche gleichmäßig mit Linienwerk überzogen
ist. Die Wand ist nicht tektonisch gegliedert, sogar die Pilaster an den Seiten sind
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