Full text: Die Kunst der Römer (1,2)

  
  
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Herrschaft unterworfen. Mit dem Fall der 
alten griechischen Handelsstadt Korinth wird 
das Schicksal jener Welt besiegelt, die erfüllt 
und getragen war von der freien geistigen 
Lebensform des griechischen Menschen. Es 
beginnt eine neue, die rómische Weltzeit. Es 
dauert freilich noch rund hundert Jahre, bis 
alle politischen und sozialen Spannungen aus 
deglichen sind. Sulla und Caesar, Pompejus 
und Antonius kommen und gehen über die 
Weltbühne, erobernd und festigend, herr: 
schend und befriedend. Dann nimmt Augustus 
das Schicksal der Welt in seine festen, zarten 
2. Rómisches Didrachmon aus Capua Hände und gründet das Reich. Nun ist die 
| Welt römisch geworden. 
Als dreihundert Jahre früher Alexander der Große die Welt unterwarf, hatte 
das Griechentum seine eigentliche geschichtliche Leistung schon vollbracht und 
hatte seine Blütezeit hinter sich. Alexander streute den reichen Samen der grie- 
chischen Frucht über die Erde. Überall sprossen junge Griechenstädte auf. Unter 
dem belebenden Hauch griechischen Geistes erwachten alte und junge Völker. Das 
Gesicht der Welt empfing den Abglanz jenes Lichtes, das von Griechenland aus- 
ging. Was empfing aber die Welt, als sie römisch wurde? 
  
Die Griechen hatten die chthonischen Mächte und magischen Bindungen ihrer 
eigenen Frühzeit, der mediterranen Vorzeit und ihrer östlichen Nachbarn über: 
wunden. Sie hatten an die Stelle dumpfer Naturgebundenheit einen geistigen Kos- 
mos gesetzt. Sie hatten über sich Götter anerkannt, welche die Kräfte des Seins als 
geistige Mächte darstellten, welche zugleich als Natur und Geist wirkend in Er- 
scheinung traten. In der Kunst erfuhren die Griechen das Walten des Seins. Kunst 
war für sie das Zeichen ihrer geistigen Selbstbehauptung, war für sie eine Lebens: 
notwendigkeit. In der Kunst gestalteten die Griechen ihr Schicksal. Im Bilde grofier 
Kunst erhoben sie ihr Dasein zur überzeitlichen Gestalt. Befreit von der Einmalig- 
keit des Geschehens in der Zeit, ist die griechische Kunst das Bild natürlichen und 
doch unvergànglichen Seins von Menschen und Göttern. Was bedeutete dagegen 
den Römern die Kunst? Kann man überhaupt in gleichem Sinne von einer römischen 
wie von der griechischen Kunst sprechen? 
Die Antwort auf die Frage nach dem Wesen der römischen Kunst ergibt sich 
aus der Betrachtung ihrer Geschichte. 
Aus der ersten Zeit derrömischen Republik nach der Vertreibung der 
etruskischen Könige stammt die berühmte kapitolinische Wolfin (Abb. 1). Unheim: 
lich und schreckhaft blickt das wilde Tier mit weit aufgerissenen Augen und bleckt 
drohend seine Zähne aus halb geôffnetem Maule. Nicht geduckt zum Sprung, nicht 
im verhaltenen Angriff, sondern die Vorderbeine starr in den Boden gestemmt, die 
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