Full text: Die Kunst der Römer (1,2)

  
  
  
  
  
96. Gemma Augustea. Wien 
Bildwerken von wunderbarer Klarheit und Festigkeit. Man muß eben begriffen 
haben, daß römische Plastik nicht dasselbe ist wie griechische Plastik, nämlich die 
Vergegenwärtigung des Lebens. Römische Plastik gibt mit ungeheurer Wirklich: 
keitstreue die irdische und deshalb vergängliche Erscheinung des Menschen einer: 
seits und andererseits die gedachte Stellung des Menschen in einer hierarchisch 
geordneten Welt. Beide Auffassungen und Absichten durchdringen sich in der 
Augustus-Zeit, welche daher zugleich wirklichkeitsgetreu und spirituell ist. Nach- 
dem die römische Kunst unter Augustus ihren Stil gefunden hatte, bewegt sie sich 
zwischen diesen beiden Polen in dauerndem Wandel, löst sie den Klassizismus in 
Naturalismus, den Linearismus in Illusionismus auf, entmaterialisiert sie in immer 
neuen Klassizismen die gegenstindliche Welt, bis es schließlich dem Christentum 
und Byzanz gelingt, eine transzendente Kunst heraufzuführen. Bis dahin bleiben die 
beiden antithetischen Pole bestehen, und zwar formal wie thematisch. Dabei gehort 
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