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die klassizistischespirituelle Richtung zur Darstellung der politischen Hierarchie
und der politischen Allegorie, die veristische gegenständliche Form dagegen dient
der Wiedergabe des politischen Geschehens ebenso wie der Darstellung eines
idyllischen Zustandes. Wir sehen also eine Spaltung des Lebens in die zwei Spharen,
in die stoffliche und die geistige, in die gegenständliche und die allegorische; beide
bedingen sich und sind nicht voneinander zu trennen. Wir verstehen die rômische
Kunst erst richtig, wenn wir auch die verschiedenen Wandlungen ihres Stiles als
die gegensätzlichen Auferungen ein und derselben Grundhaltung begreifen. Dann
sind diese Gegensätze keine Gegensätze mehr, dann sind Allegorien im klassi-
zistischen Stile der Hofkunst ebenso römisch wie die Bilder der gegenständlichen
Wirklichkeit im naturalistischen Stile der Volkskunst; denn beide gehören not-
wendig zur neuen römischen Ordnung und Haltung. Dann erkennt man auch in
jenem Element, das wir als das Räumliche und das Malerische, als das Konstruktive
und Illusionistische bezeichnet haben, die eigentliche und notwendige Leistung der
römischen Kunst, in der die scheinbaren Stilgegensätze überbrückt werden und in
der jene neue römische Ordnung und Haltung ihren adäquaten Ausdruck, ihre
reinste Verwirklichung gefunden hat.
Einige Bildwerke aus der späten Augustus-Zeit und aus der Regierungszeit des
Tiberius sollen noch einmal sichtbar machen, wie die römische Kunst unter dem
Caesar Augustus gewesen ist.
Die Gemma Augustea in Wien (Abb. 96) ist wohl das berühmteste Werk der
Kleinkunst aus dem Kreise des Augustus. Ein Onyx aus braunen und weißen
Schichten ist so bearbeitet, daß die Relieffiguren hell vor dem dunklen Grund
stehen. Das Bildfeld ist in zwei Streifen geteilt, auf denen die allegorische Repräsen-
tation des Staatsgedankens und wirkliches politisches Geschehen gemischt sind.
Unten richten römische Krieger ein Siegesmal, ein Tropaion, auf. Gefangene Bar-
baren, offenbar germanischer Herkunft, sitzen gefesselt am Boden, werden an
Haaren herbeigezogen, flehen um Gnade. Das mag sich oft in eben dieser Weise
vollzogen haben; es ist ein Vorgang aus dem Kriegsleben. Aber die Darstellung
bedeutet darüber hinaus den siegreichen Abschluß eines Krieges und die Aufrich-
tung der römischen Herrschaft. Sie ist das immer wiederkehrende Bild, welches
die kriegerische Behauptung des römischen Imperiums aufzeigt. Auf den Sieg folgte
der Triumph. Er ist auf dem oberen Bildstreifen am linken Rande angedeutet.
Tiberius verläßt soeben die Quadriga, welche Victoria selbst führt, um Augustus
und Roma zu huldigen. Germanicus, sein jugendlicher Neffe, der hochbegabte,
hoffnungsvolle, allzu früh verstorbene Liebling der Soldaten, steht zwischen ihm
und der Mittelgruppe. Der Sieg wurde im Jahre 9 n. Chr. im dalmatischzpannonischen
Kriege erfochten, der 'Triumph fand 12n. Chr. in Rom statt. Aber damals war Ger:
manicus, der Überbringer der Siegesbotschaft, schon nicht mehr in Rom. Er gehört
jedoch als handelnde Figur mit in den Geschehensablauf, der hier allegorisch ver:
kiirzt und zusammengezogen ist. Roma und Augustus sind hier ja auch nur als
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