liche Auferstehung und Weiterführung findet. Aber er bereitet dieser Stilepoche
den Weg, indem er das Kulissenhafte und Bühnenmäßige manieristisch zerteilt und
in die Fläche preßt, um es schließlich ins Unwirkliche aufzulösen. Dadurch entsteht
dann die eigentümliche Phantastik des ‚vierten‘ Stils, der sich freilich noch manch-
mal an das Schema der Theaterwand und -kulisse hält, im übrigen aber eine neue
dekorative Einheit der Wand voller Überraschungen und Merkwürdigkeiten herstellt.
Eine Wand des ‚dritten‘ Stils, oder sagen wir besser: aus der Tiberius-Zeit,
welche die ganze beziehungsreiche Problematik dieses Stils enthüllt, besitzen wir
aus dem Hause des M. Lucretius Fronto in Pompeji (Abb. 111): Grundfarbe ist auch
hier Schwarz. Die Tektonik des vorhergehenden Stils, wenn sie auch noch so
kulissenhaft war und unwahrscheinlich wirkte, besteht nicht mehr. Die Wand
scheint in der Luft zu schweben. Denn an der Stelle eines Sockels befindet sich das
perspektivische Bild eines Gartens, der mit einem Gitter umzogen ist. Märchen:
vögel sitzen darauf, und in einer halbrunden Nische mit Bänken plätschert ein
Springbrunnen. Über diesem Traumbild beginnt eigentlich erst die fünfteilige
Wanddekoration mit dem Sockelstreifen. Die Mittelnische, wo einstmals die Tür,
später der fensterartige Bilddurchblick angebracht war, ist hier nur mehr eine tote
Fläche, auf der ein mythologisches Figurenbild, Mars und Venus, sitzt. Die beiden
seitlichen Hauptfelder enthalten nur hohe zerbrechliche Kandelaber, an denen, unz
klar wie, Bilder römischer Villen hängen. Der einzige Rest eines Durchblicks ist
in den schmalen Zwischenfeldern erhalten, wo man über blinden Fensternischen in
halbrunde Säulenhallen hineinsehen kann: Aber diese Zwischenfelder sind von
einem hellgrünen, mit bunten Blüten freudig belebten Blumenteppich umrahmt, so
daß der Zusammenhang mit den übrigen Gliedern der Wand unterbrochen ist und
die architektonischen Motive als bloße Dekorationselemente dastehen. Erst im
oberen Friesstreifen ist wieder ein zusammenhängender und einheitlich gegliederter
Aufbau von basilikalen Hallen mit offenen Türen und Treppen, die auf die Höhe
dieser Bühne führen, von Ädikulen und Sälen vorhanden. Jetzt sitzt das, was ein-
mal die ganze Wand in reicher Vielfalt und in gewagtem Gepränge gegliedert hatte,
als stabartiges Gerüst, als dürres Gestänge, als gespenstisches Gebäude oben an der
Wand. In dem Mittelschiff der ‚Basilika‘, welche man im Durchschnitt sieht, steht
ein Dreifuß, und gleich unter ihm ist ein Stilleben angebracht, viel zu groß für die
Architektur dahinter. An den Seiten aber hängen Kästen mit Masken herab und
erinnern daran, daß die Motive dieser kühn improvisierten Architektur aus der
Bühnenmalerei stammen. Die Theaterwand ist es denn auch, an welche man immer
wieder erinnert wird, wenn man die Dekoration römischer Wände sieht, und zwar
ist es nun nicht mehr die hellenistische Bühne mit ihrem einstöckigen Hintergrund
und ihren anschaulichen Prospekten auf eingeschobenen Tafeln: es ist jetzt die
Fassade der römischen scaenae frons, welche in zwei Stockwerken reich durch
Nischen, Ädiculen und Loggien mit Säulen gegliedert ist. Der Grund dafür liegt in
der formalen Parallelität der Aufgabe, eben in der Gliederung einer Wand, die von
der Malerei ebenso aufgefaßt wurde wie von der Architektur, für welche außer der
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