es Standbilder ländlicher Götter oder sind es Menschen, welche nur undeutlich im
Umriß erscheinen? Eine Herde hat sich zerstreut und ihr Hirte führt einen Bock
zum Opfer. Er steht im vollen Schein des Lichtes, das die Architektur hell auf
leuchten läßt, und ist doch selbst schwarz wie die Nacht.
Bildet die rómische Kunst in der politischen Allegorie das Gedachte, so gelingt
es ihr in der Havischen Malerei, die geiste und phantasievolle, traumhaft unwirkliche
Welt der Poesie im Bilde sichtbar zu machen. Ein beziehungsreicher und bunter
Wechsel dichterischer Wortbilder, musikalischer Einfälle könnte den Hörer nicht
stärker verzaubern, entrücken, im Flug des Geistes aus einer Traumwelt in eine
andere tragen als es diese Malerei vermag. Geben ihr dazu Religion und Mytho-
logie die inhaltlichen Möglichkeiten, so besitzt sie in ihrer Technik und künst-
lerischen Form ein Mittel, diese romantisch illusionistische Absicht rein zur Ver
wirklichung zu bringen. Man erkennt hier wieder einmal, dafs die profane, kon:
struktive und realistische Richtung der rómischen Kunst nur die eine Seite rómischer
Welthaltung und Weltbehauptung ist. Die andere Seite eróffnet sich im Streben
nach Entstofflichung und Vergeistigung. Die Sinnenfülle griechischer Gestalten
wird allegorisch ins Gedankliche, spielerisch ins Geisterhafte zerteilt und gewendet,
so daß dem harten staatlichen Dasein ein duftiger Schleier umgehangen wird,
welcher die Abgründe des Seins mit kóstlichen Farben und Formen verhüllt.
Ein entzückendes Bildchen ist so entstanden (Taf.IV): Eroten und Psychen,
welche in der Gestalt geflügelter Putti dargestellt sind, vergnügen sich im Heilig-
tum des Dionysos mit Trunk, Liebe und Saitenspiel. Das Standbild des Gottes ragt
magisch aus dem Dunst des Gelages und steht einsam in dem Raume über dem
Vorhang, der von den Seiten herabhángt und um die Beine der Statue geschlungen
ist, so dal} fiir die Putten eine Art Zelt entsteht. Es ist bezeichnend, daf3 keine
reinen Lokalfarben verwendet sind. Die Farben changieren und glitzern und sind
in Flecken und Streifen aufgetragen. Diese impressionistische Art erzeugt eine unz
erhórt farbige Atmospháre, die an die delikateste Malerei der Neuzeit, an Watteau,
erinnert.
Auch in der Architekturmalerei fühlt man sich manchmal an die große Barock:
malerei erinnert. Das Bruchstück einer pompejanischen Wand im Neapeler Museum
(Abb. 119) verführt den Beschauer in geträumte Paläste, in deren Hallen er sich ver:
liert, vor deren prunkendem Schmuck er staunend steht. Keine Fliche ist ohne
Ornament, kein Luftraum ohne farbige Atmosphire. Diese Malerei ist unerschopf-
lich und unermiidlich in dem Bestreben, das Auge zu fesseln und zugleich darauf
aus, den Blick abgleiten zu lassen ins Unbestimmte und Ferne. Das Auge wird von
der Überfülle betort und gibt sich taumelnd dem Farben: und Formenrausche hin.
Auch die Bauornamentik, welche doch eigentlich nur die tektonische
Gliederung schmückend hervorheben sollte, versucht in flavischer Zeit, die bau:
liche Konstruktion wie mit einem Gespinst zu überziehen. Sie löst die Bauglieder
und die Steinflächen malerisch auf, sie überwuchert alles und läßt keine Fläche frei.
Das Gebälk des caesarischen Venus-Genetrix-Tempels (Abb. 120) muß damals ge-
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