Full text: Die Kunst der Römer (1,2)

  
die Zeitgenossen des Commodus sahen in ihm nur das Scheusal, den verdammten 
und verhöhnten Verbrecher, der unerhörte Ausschweifungen und Morde in reli- 
giösem Rausche beging, während er selber sich , Vater des Vaterlandes', ,Neugründer 
Roms‘, ‚Schützer der Freiheit‘ nannte. War es zwei Jahrhunderten gelungen, mit 
solchen Worten und mit der Sprache politischzreligioser Allegorik Geschichte zu 
machen, — jetzt mußte sie versagen, da der Herrscher nicht mehr die tragende 
Mitte, nicht mehr Bild und Gestalt einer Welt war. Eine neue Wirklichkeit wächst 
heran und macht die alte Welt zu einer Welt des Scheins. Die irdische Schönheit 
war entwertet. Lächelnd im Glauben an ein besseres Jenseits starben bereits die 
Märtyrer des christlichen Glaubens. 
Kündigt sich die Zeitenwende in der Bildniskunst mehr als ein Gegensatz 
der Charaktere an, so láft die Reliefbildnerei deutlicher den Wandel des Stils 
erkennen. 
Bald nach Antritt seiner Regierung (161) lief Marc Aurel eine Ehrensaule für 
Antoninus Pius und Faustina errichten. Der massive granitene Schaft zerbrach, als 
man ihn zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts freilegen und heben wollte. Da 
er ohne Reliefschmuck war, wurden die Bruchstiicke wiederverwendet, hauptsach: 
lich zur Ausbesserung des Gnomon-Obelisken des Augustus auf dem Monte Citorio. 
Der Sockel der Säule aber wurde wegen seiner kostbaren Reliefs geschont und, nach- 
dem er erst am Monte Citorio gestanden hatte, wanderte er in den Giardino della 
Pigna des vatikanischen Belvedere. Auf ihm nun sind Reliefs in einem vollig ver: 
schiedenen Stil zu sehen. Das Hauptbild (Abb. 178) zeigt die Apotheose von Anto: 
ninus und Faustina. Sie werden auf den riesigen Schwingen eines schónen Jünglings, 
der den schlangenumwundenen Himmelsglobus hált, in den Himmel getragen, bez 
gleitet von zwei Adlern, den Sinnbildern der Consecratio. Der Ort der Auffahrt ist 
der Campus Martius, und zwar genauer das Ustrinum des Kaiserhauses in der Nähe 
des Gnomon-Obelisken. Denn der gelagerte Jüngling, der das Marsfeld personi- 
fiziert, hàlt den Obelisken im Schoß. Die Göttin Roma, nicht als Ortsbestimmung, 
sondern als wehrhafte Friedensgöttin des Reiches, grüßt, auf einem Waffenhaufen 
sitzend, mit erhobener Rechten das vergöttlichte Kaiserpaar. Der Bildstoff ist in 
frühantoninischer Zeit vorgeformt (Abb. 161). Er ist in größerem Format wieder 
aufgenommen und frei von allen Erscheinungen der irdischen Welt zu einem rein 
geistigen Bilde gemacht. Entsprechend sind die edlen Körper, die schönen Falten 
in noch reinerem Wohllaut aufeinander abgestimmt. Die Gestalten entwickeln sich 
in Haltung und Bewegung frei und leicht und sind in angemessener Weise auf dem 
glatten Grund ausgebreitet. : 
Auf den beiden Nebenseiten — welch anderes Bild! (Abb. 179.) Kleine Figuren 
von Reitern und Fußtruppen stehen fast ganz freiplastisch da, ohne einheitliche 
Relieffläche, ohne eine gemeinsame Bodenlinie. Offenbar ist die Darstellung so zu 
verstehen, daß ein Umritt in einem Kreise stattfindet, in dessen Mitte sich eine 
Gruppe bewaffneter Legionäre befindet. Es ist also ein Raum gedacht, in den wir 
von einem hohen Augenpunkt hineinsehen, und die Figuren sind demnach, den Mog: 
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dod md 
  
 
	        
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