streifen einzelne Szenen des Alten und des Neuen Testamentes. Das Quellwunder
des Moses, das Opfer des Isaak und Daniel in der Lówengrube beweisen die Er-
rettung durch Gott ebenso gewif3 wie die Wundertaten Christi. Das Programmatische
ist die Hauptsache in diesen parallelen Bildreihen, welche sicherlich an Kirchen:
wanden in Malerei und Mosaik eine viel pràáchtigere Darstellung gefunden hatten.
Auf dem Sarkophag sind die einzelnen Szenen zusammengedrüngt; sie sind aus der
richtigen Reihenfolge gekommen und zum Teil verstümmelt, wie das Bild vom Ein
zug in Jerusalem, von dem nur noch der Zóllner im Baum übrig geblieben ist, und
das Bild von Jesus vor Pilatus, in dem gleichfalls die Hauptperson fehlt. Daran er-
kennt man das Absinken einer Erfindung der großen Kunst in die handwerkliche
Gebrauchskunst. Dabei erinnern die Figuren nur noch von ferne an die derben
Volkstypen der Reliefs am Konstantinsbogen. Nur die Tracht der Pelzhauben und
die Flüchtigkeit der Meißelführung ist hier wie dort anzutreffen. Sonst aber sind
‚klassische‘ Gewänder und statuarische Typen das Anzeichen des beginnenden
Klassizismus.
Der berühmte Sarkophag des Stadtpräfekten Junius Bassus in den Grotten von
Sankt Peter (Abb. 246—247) aus dem Jahre 359 zeigt nun schon den Klassizismus in
reinerer Ausprägung. Die einzelnen Szenen sind abgeteilt durch Säulen und bestehen
nur aus wenigen Figuren, die sich in Umrif und Bewegung fast freiplastisch vor dem
Hintergrund entwickeln. Wenn auch die Gliederung der Körper, besonders der
beiden nackten, nicht gelungen ist, so ist doch die Darstellung beherrscht von einer
Stimmung stiller Würde und feierlich ernster Gelassenheit. Wieder sind es Bilder
des Alten und des Neuen Testamentes. Auch eine Vertauschung in der Reihenfolge
kommt vor: Die Abrahamsnische mit der Opferung Isaaks, welche im oberen Bild
streifen ganz links angebracht ist, gehórt an die rechte untere Ecke, wo jetzt die
Hinrichtung des Paulus zu sehen ist. Nimmt man diesen Wechsel vor, dann sind
unten Hiob, die Stammeltern, Daniel und Abraham, also Figuren des Alten Testaz
mentes vertreten, und oben Paulus, Petrus und Jesus vor Pilatus, die Hauptgestalten
des Neuen. Die letzte Szene, Jesus vor Pilatus, füllt zwei Nischen. Nur so konnte
die Einteilung in Dreifigurenkompositionen beibehalten werden. Die Mittelnischen
beider Stockwerke nehmen eine Sonderstellung ein. Beide sind Christus gewidmet:
unten der Einzug in Jerusalem, oben der thronende Christus. Der menschliche
Leidensweg durch Sünde und Prüfung zu Bekenntnis, Opfertod und Erlósung ist an
Beispielen von Adam bis Jesus aufgezeigt. Die Bilderfolge gipfelt in der Gestalt des
Christus, der triumphierend im Himmel thront, Weisung und Verheifhung für die
duldende Menschheit. Die Kunst hat eine neue Dimension erobert: den Himmel,
und sie kennt nun neben dem geschichtlichen Jesus auch den himmlichen Christus.
Was sich beim Herrscherbildnis des zweiten Jahrhunderts vorbereitet hatte, was
bei Bildern lehrender und lesender Philosophen schon im dritten Jahrhundert durch:
geführt worden war, die frontale Erscheinung, welche mehr zur Huldigung als zur
Betrachtung aufforderte, sie kommt hier dem hóchsten Gegenstande zu, dem Gott
gewordenen Menschensohne. Zu seinen Füf*en spannt Caelus das Himmelszelt. Der
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