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wieder im Zeitalter Konstantins, da eine christliche Kunst entsteht; auch sie ist
klassizistisch.
Nach der volkstümlichen Derbheit frühkonstantinischer Reliefs erschien dieser
Umschwung zur überlieferten Bildung so merkwürdig, daf die Zeitbestimmung
dieser spáte und nachkonstantinischen Werke von der Forschung immer wieder ume
stritten wurde. Obwohl der Sarkophag des Junius Bassus auf das Jahr genau datiert
ist, versuchte man ihn verschiedentlich in eine frühere Zeit zu setzen. Ebenso um:
stritten war lange Zeit auch die bekannte Christus-Statuette im Thermen-Museum
(Abb. 248), obwohl sie nur in das dritte Viertel des vierten Jahrhunderts gehören
kann, wenn man sich an die Logik der Formentwicklung hált. Gegenüber dem
Christus des BassuszSarkophages ist ihre plastische Substanz noch weicher und aut
gelóster, sind die Formen noch fliehender. Die hellenistische Lockenperücke ver:
stärkt diesen Eindruck eher noch mehr als’ daß sie ihn aufhebt, denn sie gibt.dem
Werk beinahe etwas flüchtig Aufscheinendes. Dennoch ist die Figur lebendig in
Haltung und Bewegung. Das verdankt sie der großen Tradition, die in ihr aufge-
nommen ist. Angesichts dieser Schöpfung ahnt man jedoch, daß der neue christliche
Glauben nicht auf die Dauer die alten Formen bewahren kann, daß er vielmehr von
neuen, jungen Völkern ergriffen und erlebt werden muß, wenn er die Zukunft be-
haupten will, die ihm die Anerkennung durch den Staat gesichert hat. Ein Werk wie
dieses ist nicht Anfang, sondern Ende.
Auch der Staat war alt geworden und bedurfte dringend der Erneuerung. Je
mehr das Reich wankte, desto starrer war die Staats-Ideologie und das hôfische
Zeremoniell geworden. Theodosius dem Groffen (379—395), einem Spanier,
gelang es noch einmal, das Ganze in seiner starken und sicheren Hand zu vereinigen.
Er verstand es, das Reich mit diplomatischem Geschick vor seinen gefährlichsten
Feinden, den Goten, zu bewahren, indem er sie nach der guten und bewährten
Tradition römischer Politik als Bundesgenossen aufnahm und mit dem Schutz der
Grenzen betraute. Seinen persönlichen Schutz hatte er einer germanischen Leib-
wache anvertraut. Er wußte, wo die wahren Kräfte und wo der unbedingte Einsatz
zu finden war. Bevor er die Augen schloß, legte er das Schicksal des Reiches in die
Hände des Vandalen Stilicho, der als sein Schwiegersohn und als Mentor seiner
beiden Söhne Arcadius und Honorius bis in den Tod getreu das Reich nach außen
gegen den Goten Alarich, nach innen gegen oströmischen Verrat verteidigte. So ist
nach dem großen Konstantin der große Theodosius, der letzte römische Kaiser, der
über beide Hälften des Reiches gebot und in dessen Gestalt sich daher die Würde,
das Ansehen und die Idee des Reiches ein letztes Mal verkörperte.
Sein Bildnis ist uns bewahrt auf einem silbernen Missorium vom Jahre 388 n. Chr.
in Madrid (Abb. 249). Das edle Relief zeigt, wie Theodosius einem Beamten, der sich
ihm unterwürfig naht, die Ernennung verleiht. Dabei wendet er keinen Blick zu dem
Manne, der an die Stufen seines Thrones tritt. Unbeweglich blickt er geradeaus,
unnahbar in seiner Würde, und ebenso richten die beiden Augusti zu seinen Seiten,
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