Full text: Die Kunst der Römer (1,2)

  
und grofes Werk der italischzetruskischen Kunst. Die Anmut des Bildes ist ganz 
verschieden von jener, welche griechischen Knaben und Jünglingen eigen ist. Man 
möchte nach dem Namen fragen, so persönlich ist das Gesicht gestaltet mit dem 
festen großen Mund, dem starken runden Kinn, in welchem schon männlich ge: 
meistert wird, was die offenen Augen noch knabenhaft erschauen. Nicht das 
unschuldige Glück reiner Hingabe an den Strom des Lebens strahlt aus dem 
Gesicht: eine frühe Bewußtheit zeichnet die Züge und gibt ihnen die dumpf- 
traurige Verhaltenheit. Der Kopf ist aus Gegensätzen gebaut: wirr die herab- 
gestrichenen Haare und klar die lichte Stirn, zart die Augen und kraftvoll.der 
Mund — Knabe und Mann in einem. Nicht vom stillen Ahnen, nicht von der wachen 
Lebensfreude dieser Lebensstufe ist der Kopf erfüllt. Das Leben dieses Knaben 
scheint von frühzeitigen Forderungen gedrängt zum Einsatz seines jungen Willens. 
Es ist nur eine leichte Steigerung zu Willen, Bewußtheit und einem persönlichen 
Ausdruck, der sich in den Zügen dieses Kopfes ausspricht und der ihn abhebt von 
den Bildern griechischer Knaben. Die formale Verschiedenheit liegt in der unbe: 
kümmerten Art, wie die Haare ins Gesicht fallen, in dem Bau des Kopfes, welcher 
aus klaren großen Formen zusammengesetzt ist und eine besondere Nähe und Deut- 
lichkeit besitzt; fast könnte man meinen, hier sei ein griechischer Meister am Werk 
gewesen. Aber ein Etrusker oder Italiker hat dies köstliche Werk geschaffen; sein 
Wirken ist jedoch ohne Nachfolge, seine Arbeit ohne Werkstatttradition geblieben. 
Schon der nächste Kopf gehört einem anderen Meister und einem späteren, dem 
dritten Jahrhundert an: der herrliche Bronzekopf eines bärtigen Mannes, dem die 
altere römische Archäologie den unbewiesenen Namen des ersten Konsuls Lucius 
Junius Brutus gegeben hat (Abb. 21). Er ist bereits von Guido von KaschnitzzWein: 
berg so treffend beschrieben worden, daf3 wir nichts Besseres tun kónnen, als seine 
Beschreibung hier zu wiederholen: ,Ein Wissender, der ein gut Teil seiner Hoff 
nungen in stiller Resignation begraben hat, wenn auch der gewaltige Wille in bauer 
licher Starre ungebrochen geblieben ist. Die bitteren Erfahrungen haben den Zug 
tiefer Menschenverachtung unauslöschlich in das prachtvolle Antlitz gegraben, sie 
haben jenem schmalen, übergroßen Mund eines Fanatikers den fatalen Zug nach 
abwärts gegeben und die Augen tief in die Höhlen gedrängt, aus denen nun der 
unendlich traurige Blick eines Menschen strömt, der entschlossen ist, sich die Um: 
welt nicht mehr allzu nahe kommen zu lassen.“ „Der Bau des Schädels gleicht einer 
knapp und streng gewölbten Architektur, die Stirn ist hoch und im unteren Teil 
stark nach vorn herausgebuchtet, tiefe Höhlen bildend, aus deren Schatten die mit 
Elfenbein und Smalt eingelegten Augen unter den verwilderten buschigen Brauen 
hervorglänzen. Die Wangen sind etwas eingefallen und weisen tiefe Furchen auf, 
die zu den Mundwinkeln herablaufen. Der Mund ist schmal, groß und geschlossen. 
Ein dichter, in die Bronze gehauener Bart umrahmt das Antlitz, schlichte lange Haare 
sind in die Stirn hereingelegt und verleihen dem Kopf durch ihren kühnen Schwung 
vermehrtes Leben.“ Die plastische Form, die dies Leben trägt und umschließt, ist 
denkbar einfach. Klare, knappe Flächen begegnen sich, stoßen aufeinander, setzen 
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