südlich benachbarten Gebiet griechischer Pflanzstädte, deren älteste und nächste
Cumae war. Nachdem der siegreich bestandene Galliersturm die Freiheit und Kraft
der Nation erneuert hatte, sicherte sich Rom zunächst im Norden, dann wandte es
sich dem Süden zu. Hier öffnete sich dem römischen Blick das weite reiche Land
Kampanien mit seinen schönen alten Griechenstädten an heiteren Meeresbuchten
und den festen Sitzen der Samniten hoch im schimmernden Gebirge. Dahinter in
reichem Kranz an den Küsten Siziliens, Kalabriens und Apuliens liegt Stadt an Stadt
voller Kunstdenkmäler und geschichtlicher Erinnerungen. Beide Wendungen Roms,
nach Norden und nach Süden, waren harte politische Notwendigkeiten, aber sie
hatten eine ganz verschiedene geschichtliche Bedeutung und Auswirkung. Im Norden
wurde die etruskische Vergangenheit Roms abgebaut und überwunden, im Süden
dagegen wurde die größere Zukunft vorbereitet und begründet. Die Eroberung
Groß-Griechenlands führte und verpflichtete zur Übernahme eines geistigen Erbes.
Die Kunst der Römer, welche bisher eine etruskische Kunst gewesen war, wird jetzt
eine Kunst des italischen Hellenismus.
Als Syrakus im Jahre 212 in die Hände der Römer fiel, ließ Marcellus die
schönsten Kunstwerke zur Ausschmückung der Hauptstadt nach Rom bringen.
Livius behauptet, daß damals die Bewunderung griechischer Kunst begonnen habe.
Jeder weitere Sieg brachte neue Kunstbeute, und jede neue Eroberung im Osten
unterwarf die siegreichen Rómer mehr und mehr der freien und geistigen Lebens:
form der Griechen. Horaz hat später diesen Vorgang in die Worte gefaßt:
Das eroberte Hellas bezwang die barbarischen Sieger
und verpflanzte die Kunst ins Land der latinischen Bauern.
Das Vorgehen des Marcellus war nur der Anfang einer ganzen Reihe von Trans-
porten eroberter Kunstwerke. L. Quinctius Flamininus raubte im Krieg gegen Philipp
von Makedonien im Jahre 198 aus Eretria Statuen und Gemälde alter Kunst. Sein
Bruder Titus ließ im Jahre 194 Statuen aus Erz und Marmor beim Triumph über
Philipp mitführen. Der endgültige Sieg über den Makedonenkönig erbrachte nicht
weniger als 250 Wagenladungen von eroberten Skulpturen und Kostbarkeiten, die
im Jahre 167 beim Triumph des Aemilius Paullus mitgeführt wurden.
Dieser Aemilius Paullus war ein überzeugter Philhellene, der seine Kinder von
dem griechischen Philosophen Metrodoros erziehen ließ. Seinen Sieg bei Pydna (168)
verewigte er durch ein ursprünglich für seinen Gegner Perseus von Makedonien be:
gonnenes Reiterdenkmal in Deiphi, dessen hoher Sockel unten die Weihinschrift
und oben einen Relieffries mit Bildern einer Schlacht trägt (Abb. 25—26). Offenbar
ist die Schlacht von Pydna dargestellt. Die von Livius geschilderten Ereignisse werden
in lockerer Reihenfolge auf dem umlaufenden Bildstreifen erzählt: das durchgehende
Pferd, das die Schlacht in Gang brachte, und Salius, der eine Fahne in die Phalanx
der Makedonen wirft, um die Kriegswut der verbündeten Paeligner zur Rückerobe-
rung anzuspornen. Die Geschehnisse sind nicht in Einzelbildern von Zweikämpfen
oder in geschlossenen Kampfgruppen wiedergegeben, sondern sie sind fortlaufend,
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