Full text: Die Kunst der Römer (1,2)

  
  
  
  
säle, Bäder. Die Natur wird dienstbar gemacht. Stärker als im heiter hellenisierten 
Kampanien ist dies alles in Rom zu spüren, wo Not und Elend drängten. Deshalb 
entstehen in Rom die ersten wirklichen In genieurbauten. 
Schon der Censor Appius Claudius Caecus hatte im Jahre 312 der wachsenden 
Stadt das nötige Wasser von den Albaner Bergen hereingeholt, und schon vierzig 
Jahre später wurde eine zweite Wasserleitung vom oberen Aniolauf nach Rom ge: 
führt. Beide verliefen unterirdisch, zum Schutz bei Kriegsgefahr. Aber nachdem die 
Front in ferne Länder getragen war, konnte man die dritte Leitung über der Erde 
anlegen. Der Praetor Quintus Marcius erbaute sie in den Jahren 144—140. Gewaltige 
Bogenstellungen glichen die Unebenheiten des Geländes aus. Die menschliche 
Konstruktion bezwang die Natur. Die Bögen dieser Aqua Marcia sind die ersten 
monumentalen Bögen der römischen Baukunst. Wie bei der neuen Technik des 
Mörtelbaus, war auch diese neue Konstruktion zuerst an untergeordneter Stelle, bei 
Substruktionen, Kanälen und Burgtoren in Anwendung gebracht worden. Jetzt ist 
offenbar die Schönheit der reinen Konstruktion erkannt, der römische Sinn für Sach- 
lichkeit hat sich behauptet, und weithin wird die Weite der Campagna beherrscht 
von dem gewaltigen Gleichschritt der mächtigen Bögen. 
In gleicher monumentaler Gesinnung wird auch der Fluß bezwungen. Die erste 
Tiberbrücke, der Pons sublicius, war ein Holzsteg, so schmal, daß ihn Horatius Cocles 
allein verteidigen konnte. Er ist spurlos verschwunden. Er kann jedoch nur in der 
Nähe der Palatinstadt, also beim Rindermarkt, den Fluf überquert haben. Später 
hatte er nur noch religiöse Bedeutung. Auch von der nächsten Brücke ist nur noch 
eine undeutliche Kunde erhalten. Nach Livius (51, 2) muß schon im Jahre 207 eine 
milvische Brücke bestanden haben. Da hier die Stelle einer vorgeschichtlichen Furt 
ist, wird die Nachricht richtig sein. Auch dies wird nur eine Holzbrücke gewesen 
sein, wie der schmale Steg in der Stadt. An die Stelle dieser beiden Holzbrücken 
sind nun die ersten Steinbrücken getreten. 
Der Pons Aemilius, der wiedererkannt worden ist im sogenannten Ponte rotto 
unterhalb der Tiberinsel beim Rindermarkt, übernimmt die Aufgaben des Pons 
sublicius, soweit sie praktischer Natur waren, während die kultische Betreuung des 
Holzsteges, welche zu diesem Bauwerk als einem Werk aus der vorgeschichtlichen 
Zeit gehörte, diesem verbleibt. Der Pons Aemilius ist im Jahre 179 errichtet, um die 
Karren mit Tuff vom Monte Verde herüberzubringen. Er bestand damals aus steiner- 
nen Pfeilern mit darüberliegenden Holzbohlen. Erst nach den Erfahrungen beim Bau 
der Aqua Marcia wagte man im Jahre 142 die Pfeiler mit Bôgen zu verbinden. Das 
wurde dann die erste rômische Bogenbrücke, das Urbild all der vielen Brücken, 
welche in den kommenden Jahrhunderten im weiten rômischen Reich gebaut worden 
sind. Leider ist von diesem bedeutsamen Werk nichts mehr zu sehen. Es befinden 
sich nur noch ein paar Quaderschichten im Innern des Bruchstückes, das im Äußeren 
heute die Formen des späten 16. Jahrhunderts aufweist. 
Dafür hat die andere Bogenbrücke des zweiten Jahrhunderts, trotz zahlreicher 
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