Full text: Die Kunst der Römer (1,2)

  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
43. Census, von der Ara des Domitius Ahenobarbus. Paris 
mentalität gesteigert. Damit ist dieses Werk zum Kunstwerk geworden. Wir stehen 
in der Geburtsstunde der römischen Kunst. Bogen und Gewölbe, Konstruktion und 
Raum kennzeichnen die wesentliche Eigenart der römischen Architektur, wie Porträt 
und geschichtliches Zeitbild die römische Plastik kennzeichnen. Zweckmäßigkeit 
und Gegenständlichkeit, Sachlichkeit und Gedanklichkeit sind Wesenszüge dieser 
beiden Kunstgattungen bei den Römern. Etruskisch und hellenistisch war die Kunst 
Italiens und Roms vom sechsten bis zum zweiten Jahrhundert. Nachdem Etrurien 
und die hellenistische Welt erobert sind, entsteht die römische Kunst. Ihre 
ersten eigenen Aufgaben findet sie in der Bewältigung irdischer Bedürfnisse. 
Das letzte Werk der Plastik aus dem zweiten Jahrhundert, die sogenannte 
DomitiuszAra (Abb. 39—44) steht an der Wende der Zeiten. Es ist nicht zufällig das 
erste große plastische Werk aus Rom selbst. Neben hellenistischen Formen und 
Figuren erscheint hier zum ersten Male eine eigene römische Bildwelt, die sich in 
der Triumphalmalerei und auf dem delphischen Relieffries mit der Schlacht bei 
Pydna vorbereitet hatte, die hier jedoch noch weniger hellenistisch und noch mehr 
römisch gebildet ist. 
Zwei Relieffriese in München und Paris mit zwei verschiedenen, scheinbar un- 
vereinbaren Darstellungen gehören zu einem Bau, der ein Altar oder eine große 
Statuenbasis gewesen sein kann. Auf der einen Breitseite sowie auf den beiden 
Schmalseiten des Baues rauscht der Hochzeitswagen des Poseidon daher mit einem 
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44. Opfer an Mars, von der Ara des Domitius Ahenobarbus. Paris 
Gefolge von Nereiden und Tritonen auf Meerdrachen, Meerstieren, Meerpferden. 
Sie bringen Geschenke, Musik und brennende Fackeln und werden von Eroten 
geführt und geleitet. Alles, außer dem sinnend sitzenden Brautpaar, ist voll Lust 
der Bewegung, voll Heiterkeit und Lebensglück. 
Auf der anderen Seite sehen wir die Aushebung, den Census, des römischen 
Bürgerheeres. Im Mittelpunkt steht der Altar des Mars mit den Gestalten des 
Gottes und des opfernden Censors. Rechts vom Altar werden die Suovetaurilien 
(Stier, Widder, Eber) und wird die Standarte, das Vexillum, gebracht; links von ihm 
stehen die zum Opferritus gehörigen Musikanten. Das Opfer, das hier vorbereitet 
wird, ist das Lustrum, das der Aushebung folgt. Auf unserem Relief sind am linken 
Bildrand die Beamten noch mit der Eintragung in die Stammrolle beschäftigt. Auch 
sieht man noch die Soldaten in voller Rüstung überall herumstehen. Sie füllen den 
Raum zwischen den beiden Szenen und bilden den Abschluß am rechten Bildrand. 
Der Ernst einer bedeutenden Amtshandlung und die Würde eines religiösen Aktes 
geben den Figuren das Gemessene und Feierliche, das so ganz verschieden ist von 
dem göttlichen Überschwang, der die Gestalten des Meerthiasos auf den drei an- 
deren Seiten des Monumentes erfüllt und bewegt. Ein Nachklang der strahlenden 
Welt griechischer Götter, welche Natur und Geist umfassen, steht hier einer neuen, 
der römischen Welt gegenüber, in welcher die Götter wie Beamte auf Erfüllung der 
Pflicht sehen, einer neuen Welt voll Ernst und Strenge. 
  
  
  
 
	        
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