kaner sind daher die echtesten und die erschütterndsten Zeugnisse des Römertums,
das sich vorher noch nicht in Kunstwerken ausgesprochen hatte und das später nie
wieder so rein und unmittelbar zu Worte kam.
An den Beginn des Jahrhunderts, noch vor den sogenannten Arringatore in
Florenz (Abb. 22—23), den wir an den Übergang von der etruskischen zur rómischen
Portrátkunst gestellt haben, gehórt eine Feldherrnstatue aus Tivoli, welche heute im
Thermenmuseum in Rom Aufnahme gefunden hat (Abb. 45). In Tracht und Gebärde
ist sie griechisch, erinnert sie an die vergótterten Erscheinungen hellenistischer
Herrscher. Sicher war der Künstler ein Grieche. Kein anderer hätte das schwellende
Relief des Kórpers, die Stofflichkeit des Gewandes, die leibliche Fülle, das sinnliche
Behagen, die Erregung und Steigerung im Ausdruck des Gesichtes so herrlich zum
Vortrag bringen kónnen.
Wenige Jahrzehnte später, im zweiten Viertel des Jahrhunderts auf dem Grab-
relief eines Ehepaares von der Via Statilia in Rom (Abb. 46), hat sich ein bemerkens-
werter Wandel vollzogen. Die beiden Eheleute stehen schlicht nebeneinander. Keine
großen ausfahrenden Gebärden, kein Prunken mit Leibesschönheit, kein göttliches
Wettern in den Zügen des Gesichtes. Faltenreiche Stoffe umhüllen eng die beiden
Körper, welche manieristisch in die Länge gezogen sind. Die Arme pressen das Ge:
wand zusammen, aber nicht um die Schönheit der Leiber zu zeigen, sondern nur um
das Faltenspiel zu beleben. Dünne Linien verhüllen die beiden Gestalten. Die Figur
der Frau ist die römische Abwandlung einer späthellenistischen Erfindung. Der Mann
trägt die Toga, aber in der älteren knappen Form der Republik, welche sich nach
Art des griechischen Himations umwerfen und halten ließ. Es sind also auch hier
noch hellenistische Züge zu erkennen, nur sind sie durch die lineare Reduktion der
plastischen Werte dem italischerómischen Formempfinden angeglichen. Die eigent-
liche Wirkung der Gruppe geht, wie immer bei italischen Werken, von dem Aus
druck der portráthaften Koópfe aus. Das Gesicht der Frau ist freilich, entsprechend
ihrer ganzen Tracht, in griechischer Weise verschónt. Die schmerzvollestolzen Züge
einer rómischen Matrone sind von den klaren und ruhigen Formen geadelt. Der
Mann erinnert zunächst vielleicht noch an den Feldherrn aus Tivoli (Abb. 45); doch
sieht man bald, daf5 die weich bewegten Formen des Gesichtes eine andere Wirkung
und Bedeutung haben. Auch beim Feldherrn wird die gottliche Unruhe mehr formal
vorgetáuscht, als daf? sie physiognomisch wirklich vorhanden wäre. Beim Togatus
dient das lebhafte Relief nicht mehr solcher Täuschung. Hier sind es nur die strengen
Alterszüge in einem fetten Gesicht, sind es nur die linearen Eintragungen in eine starre
plastische Form. Es ist nur eine gewisse Knittrigkeit der Oberfläche des Gesichtes,
ähnlich wie bei den Flächen der Toga, welche noch an die echte hellenistische Un:
ruhe denken läßt. Tatsächlich ist hier nicht das organische Leben überschwänglich
gestaltet, sondern es ist der stumpfe tote Stein zu einem Abbild umgeformt.
Wahrscheinlich nur wenige Jahre später, im Jahrzehnt vor der Jahrhundert:
mitte, ist dann das Portrát des Pompejus Magnus (Abb. 47) entstanden. Noch eine
mal hellenistisches Pathos, Steigerung der Persönlichkeit durch äußere Mittel. Wem
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