63. Wand ersten Stils. Pompeji
rarisch geführt wurde. Die bukolische Dichtung des alexandrinischen Hellenismus
fand Eingang bei den Römern und wurde nachgedichtet. Alte bäuerliche Instinkte
der Römer wurden dadurch wieder wach. Der romantische Klassizismus in Kunst
und Literatur gehört zur politischen Renaissance des Augustus.
Die vielfältig drängenden Stimmungen und Bewegungen befreien auf dem
Gebiet der Malerei eine spezifisch römische Begabung. Sie führen zur Aus-
bildung der illusionistischen Wanddekoration. Wand, das war bei den Griechen
die aus Quadern gefügte Mauer, das war ein tektonisch fester und gegliederter
Körper. Wand, das wurde bei den Römern seit Erfindung der Mörteltechnik
amorphe Masse, das wurde seit Erfindung von Bogen: und Gewölbekonstruktion
nur noch Raumgrenze. Das geheime Ziel ist die Vernichtung der Wand, die Auf-
hebung und Durchbrechung räumlicher Grenzen, und wenn dies technisch noch
nicht bewältigt werden konnte, dann wenigstens die Illusion der Wandöffnung, der
gemalte Durchblick, dann wenigstens Malerei als Täuschung.
Der nüchterne Realismus der Porträts, der Wirklichkeitssinn in den Abbil
dungen zeitgeschichtlichen Geschehens und die großartige Monumentalisierung
profaner Baubedürfnisse, — das ist nur die eine Seite der römischen Kunst. Auf
der anderen Seite entfaltet sich das Geheimnis des Raumes in den konstruktiven
Leistungen der Baukunst und in den dekorativen Blendwerken der Malerei.
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