2. Die deutsche Besiedlung des Südostens nach den Türkenkriegen 13
2. Die deutſche Beſiedlung des Südoſstens nach den Türkenkriegen.
Die einzigartige Stellung von Wien als Tor, Festung, Schlüssel- und Aus-
gangspunkt zum ſüdöſtlichen Vorfeld des geſchloſſenen deutſchen Lebens-
raumes, ja des Abendlandes gegenüber dem von aſsiatiſchen Mächten be-
herrſchten weiten Osten – aus dem ſchon früher Hunnen, Awaren,
Magyaren und Mongolen ihre Raubzüge angetreten hatten , dieſe
deutsche und europäiſche Bedeutung von Wien offenbarte sich zur Zeit
der Türkenbelagerungen. Nie trat es klarer zutage, daß Wien zu erhalten,
eine Schickſalsfrage des gesamten deutschen Volkes und auch nur mit
dessen geſamten Einsatz zu lösen iſt.
Wiens völkische und wirtschaftliche Bedeutung liegt jedoch nicht nur
in der Verkeidigung, sondern auch in der Erweiterung deutſchen Lebens-
raumes. Dies wurde offenbar, als zugleich mit der Vertreibung der
Türken und der Wiedereroberung Ungarns die deutſchen Kaiſer bis
Joſef Il. von Wien aus durch ein volles Jahrhundert für die Besiedlung
des Südoſstens sorgten. „Die Waffentaten des Prinzen Eugen machten
den Weg frei für einen neuen Strom von Siedlern germaniſchen Blutes,
die noch heute in Ost- und Südosteuropa deutſche Kultur auch in fremden
Staaten bewahren und heilig halten.“ (v. Blomberg.) Die Durchführung
der Wiederbesiedlung nach den Türkenkriegen bildet „eines der
schönsten Ruhmesblätter österreichiſch-deutſcher Kulturarbeit im Südoſsten
Europas‘’?22).
Schon seit der Gründung des ungariſchen Staatswesens zur Zeit Ottos des
Großen waren Deutſche nach Ungarn eingewandert?s). Ihre Ansiedlung wurde von
Geiſa geförderk, der seinen Sohn mit der bairiſchen Prinzeſſin Giſela vermählte,
in deren Gefolge zahlreiche Adelige aus Deutſchland nach Ungarn kamen; auch
Bauern ſiedelten sich damals ſchon auf königlichen und adeligen Gütern besonders
in Westungarn an. Im 12. Jahrhundert finden sich deutſche Ansiedler auch in Ober-
ungarn und in Siebenbürgen. Dorthin rief im Iahre 1211 König Andreas II. den
deutschen Orden zum Schutz gegen die Kumanen und im Jahre 1224 verlieh er den
„Sachſen“ in Siebenbürgen den großen „Freibrief“.
Doch fast jede Kultur vernichtete der Einfall der Mongolen, die 1241 bis an
den Rand der Karpaten vordrangen, bis ihnen bei Trentſchin, drei Tagmärſche
vor Wien, Einhalt geboten wurde. Erst darnach nahm die deutſche Besiedlung und
vor allem die Errichtung von Städten auf Grundlage deutſchen Rechtes in den
Karpatenländern bis ins 15. Jahrhundert einen hervorragenden Aufschwung. Ein
Beweis für die Bedeutung des deutſchen Volkstums in den ungariſchen Städten
war, daß der Huldigungseid bei der Wahl von Matthias Corvinus zum König
(1457) für al l e Städte Ungarns in deutſcher Sprache abgefaßt worden war.
Die Mißgunst des ungariſchen Adels gegen die rege Arbeit der Deuk-
schen, deren innere Religionskämpfe und ſchließlich die Türken als äußere
Feinde hatten bewirkt, daß das Deutſchtum in den Karpatenländern gegen
Ende des 17. Jahrhunderts in Auflöſung begriffen war. Erst als Wien