Full text: Die Wirtschaftsbestimmung der Ostmark

   
2. Die deutſche Besiedlung des Südostens nach den Türkenkriegen 15 
ansiedelten, ergibt die ansehnliche Summe von rund 19.000 Familien oder 
etwa 80.000 Ansiedlern??). 
So gelang es, den mit deutſchem Blut den Türken entrissſenen Boden 
mit deutſchen Bauern in Besitz zu nehmen und die sumpfigen, sandigen 
und entsetlich verwüſteten Landstriche sſo zu kultivieren, daß jene 
Gegenden der Batſchka, des Banaks und der Schwähbiſchen Türkei bis 
heute Kornkammern des Landes sind. Der mit der deutſchen Siedlung 
damals verfolgte Zweck, den Südostraum zu europäisieren, ist gelungen, 
freilich unker großen raſsiſchen Verlusten. Denn um die weiten und nach 
dem Abzug der Türken fast entvölkerken Räume in Ungarn und am 
Balkan ~ mit einer durchſchnittlichen Bevölkerungsdichte von 2 Ein- 
wohnern auf 1 km? — ſo raſch als möglich auszufüllen, wurden nicht nur 
Deutsche ins Land gerufen, sondern auch Slawen. Dem staatlichen und 
dynastiſchen, keineswegs völkiſchen Denken des Absolutismus entsprach 
es, daß man nicht überall für die geſchloſſene Ansiedlung der Deutschen 
sorgte. Nach einer Denkſchrift an die Wiener Regierung von 1720 be- 
absichtigte man damals vielmehr in Südungarn, „durch Untermiſchung 
teutſcher Colonieen die Revolten des Pövels leichter zu verhindern“?o). 
Infolgedessen ſind die Deutſchen in den sogenannten Nachfolgestaaten 
heute überall in der Minderheit, in ihrem Volkstum gefährdet und von 
der Führung ausgeſchloſſen, obwohl der wirtschaftliche Aufstieg dieser 
Staaten auf sie zurückzuführen ist. 
Nach der Vertreibung der Türken breitete sich auch der Handel der 
Wiener Kaufleute wieder nach Ungarn und weiter hin nach dem Orient 
aus. Der Handelsvertrag, der nach dem Paſsſarowitzer Frieden (1718) mik 
der Türkei zustande kam?’), führke bis zum Pariser Frieden (1856) zu 
einem förmlichen Monopol Öſterreichs im Orienthandel. An der weiteren 
wirtſchaftlichen und kulturellen Entwicklung der Staatengebilde, die „auf 
dem Boden des krankhaften kürkiſchen Ruinenstaates“ zur Selbständig- 
keit erwuchſen, war Öſterreich, d. h. insbesondere Wien, führend be- 
teiligt*?). Als Symbol dieser in großen Lebens-, Siedlungs- und Wirtschafts- 
räumen denkenden Zeit stehen heute die großartigen barocken Bauten, 
das Schloß des Prinzen Eugen, Schönbrunn und zahlreiche andere das 
hz t!atetil weithin beherrſchende Baudenkmäler in Wien und in der 
tmark. 
Immer wieder wurden im 18. Jahrhundert die Deutſchen wegen ihrer 
Anpassſungsfähigkeit an neuartige Wirtſchaftserforderniſſe als Siedler 
herangezogen??). Infolge der Überlegenheit der deutſchen Bauern und Hand- 
werker, ohne die für die wirtſchaftliche Entwicklung nicht viel anzufangen 
warst), ließen die deutſchen Siedler die anderen Volksgruppen in ihrem 
Anteil am Erſchließungswerk weit hinter ſich. 
Trotdem dachten aber die leitenden Staatsmänner, die sich für die 
Wiederbesiedlung einsetzten, im allgemeinen keineswegs an eine Germani- 
      
  
     
    
     
      
  
    
     
    
    
    
      
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.