16 A I. Deutſche Besiedlung bis zum Ende des 1. Reiches
sierung, am wenigsten unter Karl VI. Zwar betonte das kaiserliche Statut
der „Deutſchen-Stadt“ Belgrad im Jahre 1724, daß daſelbst „als dem
äußersten Grenzort und Vormauer der ganzen Christenheit allezeit die
deutſche Nation die prinzipalsſte tam quod activatem quam numerum
sein müsse“), doch fanden die starken Ansätze deutschen Lebens durch
die Rückgabe der Stadt an die Türken im Jahre 1729 ein jähes Ende.
Nach Kaindl muß auch der Anſchauung entgegengetreten werden, als ob
später Kaiſer Joſef die Germaniſation beabſichtigt hätte, nur die Kultivie-
rung des Landes, die Vermehrung der Bevölkerung und die Förde-
rung des allgemeinen Staatsintereſſes waren für die Koloniſation maß-
gebend. Als Endziel der Ansiedlung erſchien die Herstellung einer genügen-
den Anzahl von deutſchen Muſterdörfern®®).
Joſefs erste Tat als Kaiſer und Regent der Erblande war die Auf-
hebung der Leibeigenschaft (1781), der die Regelung der bäuerlichen Erb-
folge, das Verbot des „Abstiftens“ und die Regulierung der Steuern
folgte. Mit der Ablöſung der Robot und der Übertragung der Meiergründe
ins Eigentum der Bauern ging der Staat mit gutem Beispiel voran,
was möglich war, weil der Staat nach der Aufhebung des Jeſuitenordens
und zahlreicher Klöster durch Kaiſer Joſef in den Besitz vieler Herrſchaften
gekommen war?").
Als Kronzeuge für die Verdienste Joſefs II. kann der k. k. Offizier der Armee
F. A. Demian gelten, aus desſen mehrbändiger „Darstellung der Öſterreichiſchen
Monarchie nach den neuesten statistiſchen Beziehungen“ aus den Jahren 1804 bis
180688) immer wieder die Bewunderung für „dieſen unvergeßlichen Monarchen''??)
spricht: Sei es wegen seines Schutzes der Bauern gegen die Willkür polniſcher
Grundherren; sei es, weil durch ihn der galiziſchen Iuden „außerordentlich schäd-
licher Einfluß auf das Wohl des Landes, wenigstens zum Teil vermindert wurde'‘‘*9);
oder sei es, weil er „an der bäuerlichen Verbesserung der Zigeuner angefangen
und sie besonders zu Ackerleuten bilden wollte‘'*t).
Auch das „mächtige Emporſteigen seiner Fabrikengewerbe verdankt Öſterreich
größtenteils Joſeph Il., der den Kunstfleiß seiner Völker weckte, ihn durch thätige
Aushülfe unterstützte, Privilegien und Freiheiten erteilte, fremde Arbeiter ins Land
zog, und fähige Subjekte ausländiſche Fabrikplätze bereiſen ließ. Im Jahre 1789
verbot er die Einfuhr fremder Manufaktur- und Fabrikwaren“*?), die „Jenugſam
in den k. k. Erblanden fabriziert werden und ſonſt leicht entbehrlich sind.“ (Die
Zollordnung von 1775 hatte innerhalb Öſterreichs die ständiſchen und privaten
Mauten, ſowie die Zollſchranken, mit Ausnahme der zwiſchen Ungarn einerſeits
und den alten Erbländern Böhmen und Mähren anderseits aufgehoben.)
In Ungarn setzte Joſef Il. „mehrere Maßregeln zur Verbesserung der Pferde-
zucht kräftig fort“, die ſchon Maria Theresia ergriffen hattets). In Galizien ſsorgke
er durch Prämien für die Pflege der Obſtbaumzucht“*).
Vor allem aber nahm ſich Ioſef der deutſchen Koloniſation an. Und zwar nicht
nur in Oſtgalizien, wo sich seine „österreichiſche Regierung viel Mühe gegeben,
Leute aus dem nähmlichen teutſchen Landtheile neben einander anzuſiedeln‘'*s),
sondern vor allem auch in Ungarn und im Banat: „Die meisten deutſchen Colonisten