2. Die deutſche Besiedlung des Südostens nach den Türkenkriegen 17
ſind unter der Regierung Joſephs II. nach Ungarn eingewandert, so zwar, daß bloß
im Jahre 1786 bis 1787 in dieſem Lande 33 Colonien-Dörfer angelegt worden
ſind.“4s) Wie sehr ſich Kaiſer Josef dabei gegen die Widerstände der Hofkanzleien
und des Ansiedlungskommissars in Frankfurt durchſetzen mußte, ſchildert anſchau-
lich Kaindl+?).
Mit Joſef, der „nicht lange, aber ganz dem öffentlichen Wohl gelebt“
(+ 1790), endete im wesentlichen die deutſche Besiedlung Südosteuropas.
Der erste Nachkömmling des erloſchenen Mannesstammes der deutschen
Alt-Habsburger war der einzige des Hauſes, dem – nach dem Urteil
Adolf Hitlers ~ „das Schickſal noch einmal die Fackel über die Zukunft
seines Landes emporhielt“, ehe sie für immer erloſch?).
Was für Möglichkeiten sich noch weiterhin geboten hätten, geht aus unserer
Chronik von 1805 hervor: „Besonders hat man in dieſen fruchtbaren Gegenden
Ungarns noch zu wenig Menſchenhände, als daß man die große Menge des hier
erzeugten Getreides ausdreſchen könnte“). Auch noch in ſeiner „Statistik des öster-
reichiſchen Kaiſerthums“ von 1820 betont unſer Chronist, „daß bloß das wirkliche
Produkt der Agrikultur, und nicht der größtmögliche Ertrag des Bodens, eine
ſehr bedeutende Vermehrung der Einwohner zulassen würde, besonders in Ungarn
und Siebenbürgen . . ."s0).
Franz, der letzte römiſch-deutſche und erste öſterreichiſche Kaiser, ver-
ſagte wie vor anderen Aufgaben, so auch vor dieſer, so eindringlich er sie
durch Friedrich Liſt im Iahre 1820 vor Augen gehalten bekam. ,„Die
unkeren Donauländer könnten 10 bis 20 Millionen Deutsche ernähren und
für unsere Industrie und unseren Handel werden, was die amerikaniſchen
Hinterländer den Vereinigten Staaten sind“*!), schrieb List später im Zoll-
vereinsblatk. Ganz klar hatte List die Möglichkeiten zu einer deutſchen
Großraumwirtſchaft erkannt, deren wirtschaftliche Vorausſetzungen schon
damals gegeben waren. Schon am Beginn des 19. Jahrhunderts war das
ſüdliche Ungarn (heute z. T. Iugoſlawien) infolge der Kolonisation im
18. Jahrhundert „das Kornmagazin nicht nur für den Norden Ungarns,
ſondern besonders in Fehljahren auch für einen großen Teil von Deutschland
und für Italien“'*?).
„Seinen ſicherſten Abſatz hat das ungriſche Getreide in die deutſchen Erbländer,
wohin die Ausfuhr von Jahr zu Jahr größer wird, beſonders aber nach Wien
und die Umgebung.. .. Nach Wien allein sind im Jahre 1803 .. 1,451.08574 Metzen
Getreide eingeführt worden, wovon freylich nicht alles, aber doch der größte Teil
aus Ungarn gekommen iſst.''ss)
„Ähnliches gilt für Tabak, den zweyten Hauptgegenstand des ungriſchen Pro-
dukten-Handels“, von dem besonders viel nach Sachsen gings), und für die ebenso
wichtige Ausfuhr „ungriſcher Weine, die über Wi en auf drey verſchiedenen
Routen ins Ausland gehen, entweder auf der Donau nach Regensburg, oder auf
der Achſe über Prag nach Dresden und Leipzig, und durch Mähren nach
Breslau‘'ss). „Ähnliches gilt für die ungriſche Schaafwolle, die besonders nach
DVBaiern, Schwaben und in die Schweiz geht“ss) und für viele andere ungariſche