220 ° XI. Vorlesung.
dann nochmals mit Fette lösenden Flüssigkeiten aus. Man erhält so die Menge
des gebundenen Fettes. Die Summe des freien und des gebundenen Fettes
ergibt dann die Gesamtmenge an Fett oder, genauer ausgedrückt, jener
Substanzen, die in dem angewandten Lösungsmittel löslich sind. Wir kennen
nämlich zur Zeit kein solches, das nur Fette aufnimmt. Infolgedessen
darf man auch nicht einfach den Rückstand, der nach dem Verdunsten des
Lösungsmittels verbleibt, als Fett in Rechnung setzen. Er enthält vielmehr
neben diesem Cholesterin, Cholesterinester und Phosphatide. Eine genaue
Fettbestimmung erfordert große Kenntnisse. Man hat vorgeschlagen, nicht die
Fette als solche, sondern nach ihrer Spaltung die gebildeten Fettsäuren zu be-
stimmen, doch ist auch diese Methode nicht ganz genau, weil die Phosphatide
auch Fettsäuren liefern, ferner können Verbindungen zwischen solchen und
Cholesterin vorhanden sein. Die Menge der Phosphatide kann man ziemlich
genau bestimmen, indem man als Mafstab ihren Baustein Phosphorsáure
nimmt. Diese Bemerkungen sollen nur andeuten , mit welchen Schwierigkeiten
genaue Untersuchungen über den Fettgehalt von Geweben und Zellen ver-
knüpft sind. Sie lassen es verstándlich erscheinen, weshalb auf dem Gebiete
des Fettstoffwechsels so viele einander widersprechende Ergebnisse vor-
handen sind. In den wenigsten Fällen sind ausreichende Methoden zur
Anwendung gekommen. Vielfach hat man sich sogar mit Farbreaktionen
begnügt und nach ihrem Ausfall den Fettgehalt geschätzt. Es haben näm-
lich die Fette die Eigenschaft, mit manchen Farbstoffen charakteristische
Färbungen anzunehmen. Selbstverständlich können derartige Methoden nie
quantitative sein.
Außer jenen Körperzellen, die neben anderen Stoffen auch in relativ
geringen Mengen freies Fett aufweisen, gibt es noch solche, welche in
der Hauptsache aus solchem bestehen. Man hat sie kurzweg als Fettzellen
bezeichnet. Sie haben offenbar in besonders ausgesprochenem Maße die
Fähigkeit, Fett zu speichern. Meistens finden sich viele solcher Zellen ver-
einigt. Sie bilden das sogenannte Fettgewebe, das im tierischen Or-
ganismus insbesondere im Unterhautbindegewebe und im Mesenterium oft
in großer Masse auftritt. Auch in der Pflanzenwelt kommen solche Ge-
webe vor. Oft werden die Pflanzensamen mit großen Mengen von Fett
ausgerüstet. Der tierische Organismus verwendet das Fettgewebe, wie wir
noch erfahren werden, auch zu mechanischen Zwecken, z. B. als Schutz
gegen Druck. Ferner spielt es vor allem als schlechter Wärmeleiter im
Wärmehaushalt eine wichtige Rolle. :
Wenn man im allgemeinen vom Fette eines Tieres spricht, dann
meint man jenes Fettgemisch, das die Fettdepots, das Fettgewebe, erfüllt.
Man spricht von Menschenfett, von Hammeltalg, von Pferdefett usw. und
charakterisiert es zunächst durch jene Temperatur, bei der es schmilzt, oder,
wenn man es zum Schmelzen gebracht hat, wieder erstarrt. Jede Fettart!)
hat unter normalen Verhältnissen einen ziemlich konstanten?) Schmelz-
bzw. Erstarrungspunkt. Die meisten derartigen Fette sind bei Körper-
temperatur halbfest. Es kommen jedoch auch richtige Öle im Tierreich
vor, es sei z. B. an den Lebertran erinnert. Er besteht aus den Fettsub-
!) Nicht zu verwechseln mit dem chemischen Begriff eines bestimmten, einheit-
lichen Fettes! Jede ,Fettart^ stellt ein bestimmtes Gemisch von Fetten dar.
?) Vgl. hierzu Ad. Griin und A. Custodis: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 45.
3691 (1912).