296 XII. Vorlesung.
Meerschwamm, Suberites domuncula, findet sich ein 5pongosterin
genanntes Sterin.
Viel mannigfaltiger sind offenbar die Sterine der Pflanzenwelt. Wir
kennen schon jetzt eine ganze Anzahl Vertreter dieser Körperklasse. Das
eigentliche Cholesterin scheint den Pflanzen vollständig zu
fehlen, umgekehrt sind bis jetzt in tierischen Geweben noch
keine Phytosterine aufgefunden worden.) Sehr verbreitet ist von
den Phytosterinen das Sitosterin, C,; H,, O--- H, O. Es steht wahr-
scheinlich dem Cholesterin sehr nahe und scheint nur stereomer von
ihm verschieden zu sein.?) Aus den Calabarbohnen ist Stigmasterin,
C,, H,, 0 + H,O, gewonnen worden. Von den eingehender untersuchten
Phytosterinen sind noch das Lupeol, das z- und 8-Amyrin und das
Euphorbon zu nennen. Endlich ist zu erwähnen, daß im Mutterkorn
Ergosterin vorkommt. Dieses Sterin ist in allen bis jetzt unter-
suchten Pilzen aufgefunden worden. Neben dem Ergosterin enthàlt das
Mutterkorn noch das Fungisterin. Es sind noch mancherlei Phytosterine
beschrieben und mit besonderen Namen belegt worden, ohne daß jedoch stets
der Nachweis erbracht worden wäre, daß die betreffenden Verbindungen völlig
rein waren. Dazu kommt noch, daß wir zurzeit die Konstitution der Sterine
nicht vollständig kennen. Es ist wohl möglich, daß manche der zu den Sterinen
gerechneten Verbindungen zu anderen Klassen von Substanzen gehören.
Am eingehendsten untersucht ist bis jetzt das Cholesterin. Es
ist ein zyklischer, ungesättigter, einwertiger, sekundärer
Alkohol. Es kristallisiert aus Chloroform oder wasserfreiem Ather in
feinen, seidenglänzenden Nadeln. Aus wässerigem Alkohol bildet es charak-
teristische, große, rhombische Tafeln. Sie fühlen sich fettig an und glänzen
perlmutterartig. Cholesterin ist in Wasser unlöslich, löslich in Äther, Chloro-
form und Benzol. Auch in Alkohol löst es sich, besonders leicht in warmem.
Cholesterin ist optisch aktiv. Am Lichte verändert es sich.?) Besonders
wichtig ist seine Eigenschaft, mit verschiedenen Verbindungen, so mit
Saponint) — Seifenstoffglukoside der Pflanzenwelt”) — eine Verbin-
dung einzugehen. Für den quantitativen Nachweis des Cholesterins neben
Cholesterinester ist besonders bedeutungsvoll die Beobachtung geworden,
daß ein Molekül davon sich mit einem solchen von kristallisiertem Digi-
tonin bindet.
Es sind zahlreiche Farbenreaktionen des Cholesterins bekannt. Löst
man z. B. Cholesterin in Chloroform und wird mit konzentrierter Schwefel-
säure unterschichtet, dann färbt sich die Chloroformlösung rot, während
die Sehwefelsáure grün fluoresziert (Salkowskis Probe) Fügt man zu
einer Lósung von Cholesterin in Chloroform tropfenweise Essigsáureanhy-
drid und konzentrierte Schwefelsäure, dann färbt sich die Flüssigkeit zu-
erst rosenrot, dann violett, blau und schließlich dunkelgrün (Liebermann-
Burchards Reaktion). Übrigens sind diese Farbreaktionen durchaus nicht
1) Vgl. dazu auch Mary Taylor Ellis: Biochem. Journ. 12. 154. 160 u. 173 (1918).
?) 4. Windaus und E. Rahlén: Z. f. physiol. Chem. 101. 223 (1918).
3) E. Schulze und E. Winterstein: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 43. 316 (1904); 48.
546 (1906).
4) 4. Windaus: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 42. 238 (1909).
5) Biochem. Handlexikon. 7. 145 (1912) (bearbeitet von Kobert). J. Springer.
Berlin 1912.