Eiweißstoffe und ihre Bausteine. 435
seits sind sie auch Ausgangsmaterial zur Bildung anderer Verbindungen.
Diese Übereinstimmung mit den Stoffwechselvorgängen im tierischen Orga-
nismus — auch er baut ab, wenn er aus einem vorhandenen Eiweiß ein
anderes bereiten will — wird nur durch die Beobachtung durchbrochen,
daß die Pflanzenzelle größere Mengen von Asparagin und ferner auch
von Glutamin bildet.!) Diesen beiden Verbindungen begegnet man be-
sonders in keimenden Samen. Sie hängen in irgend einer Weise mit
dem Eiweifstoffwechsel zusammen. Es sind verschiedene Hypothesen
aufgestellt worden, um ihre Entstehung und ihre Bedeutung zu erklären.
Man könnte zunächst daran denken, daß diese Säureamide eine Zwischen-
station in der Umwandlung bestimmter Aminosäuren in andere darstellen
oder gar auf Beziehungen zu den Kohlehydraten hinweisen. Es wäre
denkbar, daß aus solchen Bernsteinsäure bzw. Glutarsäure oder eine
diesen nahestehende Verbindung entsteht, die dann mit Ammoniak zu-
sammentritt. Wir wissen, daß die Pflanze desaminieren und ami-
nieren, d. h. die Aminogruppe aus Aminosäuren abspalten bzw.
in Verbindungen einfügen kann.?) Das im ersteren Falle frei werdende
Ammoniak würde dann zur Synthese zur Verfügung stehen, falls es nicht
durch Reduktion aus aufgenommenen Nitraten gebildet wird.
Man hat ferner die Bildung der Säureamide der Harnstoffbildung im
tierischen Organismus an die Seite gestellt. In beiden Fällen wird gebildetes
Ammoniak gebunden. Bei der Pflanze sind es die Asparagin- und die
Glutaminsüure, die Ammoniak festlegen, beim Tier die Karbaminsüure:
COOH +NIL CO NH, + H 0
| |
CH . NH, CH . NH,
| en
CH, CH,
|
| |
COOH COOH
Asparaginsäure Asparagin.
NH, . COOH + NH; — NH,. CO. NI, - H, O
Karbaminsäure Harnstoff.
Von diesem Gesichtspunkte aus ist die Bildung der Säureamide als
ein Schutz der Zellen gegen freies Ammoniak aufgefaßt worden. Entstehen-
des Ammoniak wird festgelegt. Es liegt ein umkehrbarer Vorgang vor.
Während der Harnstoff endgültiges Stoffwechselendprodukt darstellt, sind
die Säureamide weiterer Umwandlungen fähig. Prianischnikow3), der auf
jrund zahlreicher Beobachtungen die erwähnte Auffassung der Bedeutung
der Säureamidbildung vertritt, hat die interessante Feststellung gemacht,
daß eiweißreiche Pflanzen, wie Lupinen, gegen freies Ammoniak be-
sonders empfindlich sind, während kohlehydratreiche sich als viel wider-
!) E. Schulze: Landwirtsch. Versuchsstationen. 33. 118 (1886); Landwirtsch. Jahrb.
35. 621 (1906). — Borodin: Bot. Ztg. 801 (1878). Ber. d. Deutsch. botan. Ges. 85.
213 (1907). — D. Prianischnikow und J. Schulow: Ebenda. 98. 258 (1910). — Vel. auch
Anton Stieger: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 86. 245 (1913).
?) N. Castoro: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 50. 525 (1907). — WI. Butkewitseh :
Biochem. Zeitschr. 41. 431 (1912). :
3) Prianischnikow: Die landwirtschaftlichen Versuchsstationen. 267 (1922); Ber.
d. Deutschen Bot. Gesellsch. (1922).
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