436 XXII. Vorlesung.
standsfühiger erweisen. Im Hungerzustand wird jede Pflanze gegen Ammoniak
empfindlicher. Es ist die Möglichkeit seiner Festlegung eingeschränkt bis
aufgehoben.
Man hat noch an andere Möglichkeiten des Zusammenhangs der
Säureamidbildung mit dem Stoffwechsel und insbesondere mit dem Eiweiß-
stoffwechsel gedacht, ohne jedoch für sie eindeutige Beweise erbringen zu
können. Soviel ist sicher, daß das Asparagin nicht unmittelbar mit der
Eiweißsynthese verknüpft ist, denn es nimmt nicht in dem Maße, wie die
übrigen Aminosäuren, mit der Eiweißbildung ab.!) Ferner läßt sich zeigen,
daß die Säureamide später, ohne daß eine entsprechende Bildung von
Eiweiß sich nachweisen läßt, wieder ganz verschwinden, und zwar um so
rascher und vollständiger, je mehr die Keime und Pflanzen dem Licht
ausgesetzt sind.?) Offenbar werden die aufgestapelten Amide zu verschie-
denartigen Synthesen und sehr wahrscheinlich auch zur Bildung einzelner
Aminosäuren verwendet.
Wie der weitere Abbau der Aminosäuren sich vollzieht, welche Ab-
baustufen auftreten, und in welcher Weise der Kohlehydrat- und Fettstoff-
wechsel mit dem Eiweißstoffwechsel in Wechselbeziehung tritt, wissen wir
nicht. Wir können nur vermuten, daß bei der Desaminierung der Amino-
säuren die gleichen Produkte auftreten, wie wir sie im tierischen Orga-
nismus antreffen. Besser unterrichtet sind wir über den Abbau mancher
Aminosäuren durch Bakterien und die Hefezellen. Wir kommen darauf gleich
zurück. Von Interesse ist, daß in einigen Pilzen Harnstoff aufgefunden
worden ist.?)
Die grofe Verbreitung eines Fermentes, Urease genannt, in der
Pflanzenwelt, das Harnstoff in Ammoniak und Kohlensäure spaltet, läßt
darauf schließen, daß diese Verbindung ein häufiges Stoffwechselprodukt
darstellt.) Es entgeht dem Nachweis, weil es sofort weiter gespalten wird.
Die Spaltung des Harnstoffs erfolgt offenbar von seinem Hydrat aus*):
OH
LE
ZUNH —- 9?NH.--CO.
e
Ferner ist im Wiekensamen*) und im Zuekerrübensaft*) Guanidin
beobachtet worden. Es entstammt vielleicht dem Arginin, das diese Gruppe
besitzt.)
*) E. Schulze: Ber. d. Deutschen botan. Ges. 22. 381 (1904).
?) Pfeffer: Jahrb. d. wissenschaftl. Botanik. 8. 533 (1872). — Meunier: Annales
agronom. 6. 275 (1880).
3) Max Bamberger und Anton Landsiedl: Monatshefte f. Chemie. 24. 218 (1903);
26. 1109 (1905). — R. Gaze: Arch. d. Pharmazie. 243. 78 (1905). — A. Goris und M. Mascré:
Compt. rend. de l’acad. des sc. 147. 1488 (1908). — Vgl. auch den Befund von d-Butylthio-
harnstoff im ätherischen Ól von Cardamine amara. L. v. Max Kunze: Archiv d. Pharm.
245. 657 (1908).
^) Vgl. hierzu auch Emil A. Werner: Dublin J. of med. science. 4. 577 (1922).
5) H. S. Amstrong und Edw. Horton: Proceed. of the Royal Soc. 85. (B). 109 (1912).
8) E. Schulze: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 17. 193 (1893); Ber. d. Deutschen Chem.
Ges. 25. 658 (1892).
7.0. v. Lippmann: Ber. d. Deutschen Chem. Ges. 29. 2645 (1890).
8), Vel. 8. 320.