Full text: Die organischen Nahrungstoffe und ihr Verhalten im Zellstoffwechsel (1. Teil)

548 i XXVII. Vorlesung. 
festzustellen, wann der normale Abbau der Eiweifstoffe aufhórt und die 
Autolyse einsetzt. Sehr wahrscheinlich liegen die Verhältnisse so, 
dab. die autolytischen Vorgánge an und für sich durchaus nor- 
malen Vorgängen in der lebenden Zelle entsprechen. Es wird nur 
der weitere Verlauf der Hydrolyse nicht mehr in bestimmter Weise ge- 
regelt, und ferner werden die entsprechenden Abbaustufen nicht in vollem 
Umfang weiter verarbeitet. Endlich fehlt die Fortführung der enstandenen 
Verbindungen. Dadurch muß notwendigerweise der weitere Abbau der 
einzelnen Zellbestandteile wesentlich beeinflußt werden, so daß schließlich 
der Verlauf der einzelnen Fermentvorgänge in abgestorbenen Geweben uns 
kein getreues Bild der normalen Vorgänge mehr geben kann. 
Wir wollen uns nach Beobachtungen umsehen, die für eine Ent- 
stehung von Aminosäuren im Zellstoffwechsel sprechen. Wir 
wollen gleich bemerken, daß der Umstand, daß solche vom Darm aus zur 
Aufnahme gelangen, die Beurteilung der Herkunft der Bausteine der Pro- 
teine sehr erschwert. Es muß in jedem Falle ausgeschlossen werden, daß 
es sich um resorbierte Aminosäuren handelt. Bei der Besprechung der 
Herkunft des Traubenzuckers kamen wir zu der sicheren Feststellung, daß 
Aminosäuren solchen liefern können. Diese Schlußfolgerung wurde zunächst 
nicht am normalen Organismus erhoben. Die Tatsache, daß im tierischen 
Organismus Glukose aus anderer Quelle als aus Kohlehydraten entstehen 
kann, ergab sich vielmehr aus Beobachtungen, die bei gestörtem Kohle- 
hydratstoffwechsel erhoben worden sind. Sind keine Störungen des 
Eiweißstoffwechsels und insbesondere des Aminosäurestoff- 
wechsels bekannt? Wir werden später erfahren, daß bestimmte Drüsen, 
z. B. die Schilddrüse, einen bedeutungsvollen Einfluf) auf den. Eiweifstoff- 
wechsel haben.!) Er kann beschleunigt oder verlangsamt werden. Ferner 
aht man bei vielen Erkrankungen und vor allem bei Infektionskrank- 
heiten, die mit Fieber verknüpft sind, einen Einfluß auf den Eiweif- 
umsatz beobachtet. Das Studium dieser Stórungen des Eiweif)stoffwechsels 
ergab bis jetzt im grofen und ganzen nur quantitative Unterschiede. 
In einzelnen Fàllen, so bei Vergiftungen, z. B. auch beim Coma diabeticum 
und bei tiefen Narkosen, fand man Aminosäuren im Harn.?) In anderen 
Fällen zeigten die in ihm auftretenden Verbindungen, daß der Abbau 
zwar über die Bausteine der Proteine hinausgeführt hatte, daß er jedoch 
verlangsamt und teilweise gehemmt war. Wir werden bald erfahren, daß 
der Schwefel der Proteine bzw. des Zystins unter normalen Verhältnissen 
zum größten Teil in Form von Schwefesäure im Harn erscheint. Nur ein 
kleiner Teil davon wird in reduziertem Zustand ausgeschieden. Ist der 
Stoffwechsel. aus irgend einem Grunde geschädigt, dann beobachten wir in 
manchen Fällen, daß der Harn mehr von der letzteren Art von Schwefel- 
verbindungen enthàlt. Lassen schon diese Beobachtungen den Sehluf zu, 
daß mit größter Wahrscheinlichkeit der Abbau der Proteine über Amino- 
  
  
  
  
  
  
  
  
!) Naeh Hans Stübel bewirkt Adrenalin ein Verschwinden von in der Leber 
gespeichertem Eiweiß [Pflügers Archiv. 185. 74 (1920)]. 
?) Mies: Münchener med. Wochenschr. Nr. 34 (1904). — Emil Abderhalden und 
E. F. Barker: Zeitschr. f. physiol. Chem. 42. 524 (1904). — Emil Abderhalden: Ebenda. 
44. 17 (1905). — C. Neuberg und H. Strauss: Berliner klin. Wochenschr. 43. 258 (1906). 
— J. Wohlgemwth: Zeitschr. f. physiol. Chem. 44. 74 (1905). Ad. Loewy: Biochem. 
Zeitschr. 3. 439 (1907). 
  
 
	        
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