Full text: Die anorganischen Nahrungstoffe. Die Bedeutung des physikalischen Zustandes der Zell- und Gewebsinhaltsstoffe für ihre Funktionen. Die Fermente, ihr Wesen, ihre Wirkung und ihre Bedeutung. Probleme des Gesamtstoff- und -kraftwechsels. Stoff- und Kraftwechsel einzelner Organe und Zellen (2. Teil)

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288 XVI. Vorlesung. 
Beim Studium der Fermentwirkungen hat die Beobachtung, daß in 
einer großen Zahl der Fälle streng spezifische Wirkungen vor- 
liegen, von jeher ganz besonderes Interesse erweckt. Der tierische und 
auch der Pflanzenorganismus arbeitet, wie wir wiederholt betont haben. 
fast ausschließlich mit optisch-aktiven Kohlenstoffverbindungen,: d. h. 
mit Verbindungen, die mindestens ein asymmetrisches Kohlenstoffatom 
besitzen.!) Die Asymmetrie der Zellbausteine beginnt im Augenblick deı 
Assimilation der Kohlensäure?) durch die chlorophyllhaltigen Pflanzen- 
teile und wird beim Pflanzenfresser direkt, beim Fleischfresser indirekt 
auf den tierischen Organismus übertragen. Von einer Verbindung mit 
einem asymmetrischen Kohlenstoffatom kónnen wir uns zwei optische 
Antipoden und einen diese. vereinigenden Razemkorper denken.?) Von den 
beiden ersten finden wir mit wenigen Ausnahmen in der Natur stets nur 
die eine optiseh-aktive Form. Schon Pasteur) war es bekannt; daß, 
wenn man in eine Lösung von traubensaurem Ammonium und Kleinen 
Mengen von Nährsalzen Sporen von Penicillum glaucum bringt, eine 
eigentümliche Veränderung eintritt. Die anfangs optisch völlig. inaktive 
Lösung wird während der Entwicklung des Pilzes optisch aktiv. und zwar 
dreht sie nach links. Die Linksdrehung steigt fortwährend und nimmt erst 
dann einen konstanten Wert an, wenn die Rechtsweinsäure. die optische 
Antipode der Linksweinsäure, vom Pilze gänzlich aufgebraucht ist. Diese 
interessante Erscheinung findet ihre Erklärung darin, daß offenbar der 
Pilz nur die eine optische Modifikation des Razemkörpers Traubensäure 
verwerten kann, während die Linksweinsäure unberührt gelassen wird. An 
diese Beobachtungen Pasteurs, die damals auf die Wirkung eines organi- 
sierten bzw. geformten Fermentes zurückgeführt wurden, schlossen sich 
bald weitere an. Mit Hilfe von Penieillium glaucum wurden z. B. aus 
den entsprechenden Razemkörpern folgende optisch-aktive Formen gewonnen: 
d-Mandelsäure, d-Asparaginsäure, d-Leuzin, l-Weinsüure, l-Mannonsüure- 
lakton, l-Glutaminsüure, l-Glyzerinsáure.*) 
Eine weitere interessante Beobachtung nach dieser Richtung hat Feliz 
Ehrlich®) gemacht. Er ließ Reinzuchthefe bei Gegenwart von Rohrzucker 
auf synthetisch dargestelltes razemisches Leuzin einwirken. Nach einiger 
Zeit trat deutlich Geruch nach Fuselöl auf. Es ließ sich aus der Flüssig- 
keit dureh fraktionierte Destillation Isoam ylalkohol gewinnen.?) Zu seiner 
Bildung war nicht das gesamte Leuzin verwendet worden. sondern nur 
die eine ‚optische Antipode, néimlich das Linksleuzin. Das Reehtsleuzin 
konnte im reinen Zustande aus der Flüssigkeit isoliert werden. Derselbe 
Versuch mit d-Isoleuzin führte zur Bildung von d-Amylalkohol.5) Ebenso 
') Daß Ausnahmen vorkommen, beweist der Umstand, daß z. B. razemische Alka- 
loide von den Pflanzen gebildet werden. Vgl. Kurt Hess und W. Weltzien: Ber. d. D. 
Chem. Ges. 53. 119 (1920). ?) Vgl. Teil I, Vorlesung IV. ?) Vgl. Teil I, Seite 21. 
*) L. Pasteur: Compt. rend. de l’Acad. des Sciences. 51. 298 (1860). 
°) Vgl. die Literatur bei Chr. Wünther: Berichte d. Deutschen Chem. Gesellsch. 
28. 3000 (1895). 
?) Felix Ehrlich: Zeitschr. des Vereines der Deutschen Zuckerindustrie. 55. H. 592 
(1905); Biochem, Zeitschr. 63. 379 (1914). — Vgl. aueh Emil Abderhalden und Hein- 
rich Geddert: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 74. 394 (1911). — Vgl. weitere Literatur 
l'eil L. Vorlesung XVI und XXVII. 
7) Vgl. hiezu Teil I, Seite 323. 
?) Vgl. hiezu Teil I, Seite 323. 
   
   
    
   
    
       
     
   
  
   
   
   
   
      
   
   
   
   
   
   
   
   
   
    
   
      
   
    
     
   
    
   
  
  
    
    
  
	        
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