304 XVII. Vorlesung.
In diesem Zusammenhange sei noch erwühnt, dab Kampfokarbon-
säure in optisch-inaktiven Lösungsmitteln mit verschiedener Ge-
schwindigkeit in Kampfer und Kohlensäure zerfällt 1):
CH . COOH CH,
|
| — QGH | + 00.
CO CO
Cia
Man kann die Lösungsmittel, da sie bei der Reaktion nicht ver-
ändert werden, als Katalysatoren betrachten. Nimmt man nun ein optisch-
aktives Lösungsmittel, d. h. einen optisch-aktiven K atalysator, z. B
Nikotin, so beobachtet man, dab die d-K ampfokarbonsáure um 12*/,
rascher zerfällt, als die 1-Form der Süure.?) Wühlt man an Stelle des
Nikotins Chinin in Azetophenon gelöst. dann zerfällt die I- Verbindung
sogar um 46°/, rascher als die d-Form. Chinidin dagegen bewirkt, daf)
die Abspaltung der Kohlensüure bei der d-Form um 46*/, schneller ver-
läuft, als bei der l-Verbindung.3)
Es ist somit möglich, mittels Katalysatoren der unbelebten
Natur asymmetrische Reaktionen durchzuführen. Es ist nun von
großer Bedeutung, daß bis jetzt asymmetrische Vorgänge nur dann zur
Beobachtung gekommen sind, wenn der angewandte K atalysator selbst
asymmetrisch gebaut war. Wir haben nun allen Grund anzunehmen, daß -
auch die Fermente optisch-aktiv, d. h. asymmetrisch gebaut sind. Es er-
geben sich noch weitere enge Beziehungen zwischen Ferment und Kata-
lysator der unbelebten Natur, sobald wir uns die Frage vorlegen, wieso
es kommt, daß optisch-aktive Katalysatoren die Umwandlung der einen
Komponente eines Razemkörpers stärker beschleunigen als die der anderen.
Offenbar liegen Zwischenverbindungen zwischen Substrat und
Katalysator vor. Bei dem zuletzt erwähnten Beispiel verbindet sich
offenbar der basische Katalysator mit den beiden Anteilen der Kampfo-
karbonsüure. Von den gebildeten Salzen zerfüllt dann das eine rascher
als das andere. Sicherlich geht auch im ersten Beispiel, bei dem ein
l'erment direkt dureh einen Katalysator der unbelebten Natur ersetzt wurde.
das verwendete Alkaloid mit dem Zyanhydrin eine Bindung ein.
Aus allen diesen Beobachtungen geht hervor, da( eine w eitgehende
Übereinstimmung zwischen der Wirkung der Katalysatoren der
unbelebten Natur und derjenigen der Fermente vorhanden ist.
Wir haben nur die wesentliehsten Momente zum Beweise der nahen Be-
ziehungen zwischen beiden Klassen von Stoffen angeführt. Wir können
noch hinzufügen, daß es Stoffe gibt, die die Wirkung der Katalysatoren
ganz aufheben. Man hat sie Paralysatoren genannt. Wir haben schon |
5. 280 erwähnt, daß die Beschleunigung der Spaltung von Amygdalin
dureh Platin ausbleibt, weil die sich bildende Blausüure den Katalysator
das Platin so verändert, daß es keine Wirkung auf die Reaktion
mehr ausüben kann. Ein weiteres interessantes Beispiel bietet die Fest-
stellung, daß die Zersetzung von Wasserstoffsuperoxyd durch kolloides Platin
!) G. Bredig und R. W. Balcom: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 41. 740 (1908)
°) G. Bredig und Fajans: Ber. d. Deutsch. Chem. Gesellsch. 41. 759 (1908). —
Fajans :. Zeitschr. {. physiol. Chemie. 73. 25 (1910).
?) Vgl. hiezu die Beobachtung von H. D. Dakin [Journ. of Physiol. 30. 253 (1904)].
wonach Lipase aus Leber d-Mandelsáureester rascher spaltet als l-Mandelsáureester