320 XVIII. Vorlesung
festgestellt, dal es für die Spaltung und Synthese der aus Glukosemole-
kiilen aufgebauten Disaccharide nicht gleichgültig ist, ob diese in der .x-
oder 6-Form zugegen sind. Man müßte somit außer den auf bestimmte
Monosaccharide cingestellten Fermenten noch jeweilen ein auf die z- und
ein auf die 6-Form passendes Ferment unterscheiden.!). So wissen wir,
daß das sogenannte Emulsin $-Glukoside spaltet. Die Zellobiase zeigt das
gleiche Verhalten. Die Maltase spaltet die aus x-Glukose bestehende
Maltose und baut sie aus dieser auch auf.
Es ist verständlich, daß immer wieder der Versuch unternommen
wird, die Zahl der Fermente möglichst einzuschränken. Ihre Zahl müßte
eine ungeheuer große sein, wenn auf jedes einzelne Substrat ein besonderes
Ferment passen “sollte. Wenn wir vom Glykogen ausgehen, dann gelangen
wir durch Abbau zu den Dextrinen. Diese bestehen aus einem "Gemiseh
einer groben Anzahl verschiedener Abbaustufen. Unter anderem stoßen
wir unter den Abbauprodukten auf die Maltose. .Von dieser wissen wir,
dab sie von Maltase in zwei Moleküle Glukose zerlegt wird. Darf man
nun alle diejenigen Fermente, welehe die Anteile des Dextringemisches
spalten oder aufbauen, einfach als einheitliche Dextrinase zusammen-
fassen, oder mul man. von mehreren Dextrinasen sprechen? Besonders
verwickelt werden die Verhältnisse, wenn man an den Aufbau denkt.
Wird ein Traubenzuekermolekül an das andere gefügt, bis schließlich das
Glykogen entstanden ist, oder fängt der Aufbau an erschiedenen Stellen
zugleich an, d. h. bilden sich nebeneinander Di-, Tri- usw. -sacc haride, die
dann schließlich zusammen verknüpft werden? Steht man auf dem Stand-
punkt, dab abbauende und aufbauende Fermente identisch sind, dann muß
man aueh annehmen, daf Abbau und Aufbau die gleichen Wege nur
in umgekehrter Richtung einschlagen. Nun spricht alles dafür. daß beim
Abbau des Glykogens nicht ein Molekül Glukose vom anderen losgelöst
wird, sondern es entstehen offenbar E Spaltstüecke, die mehrere Bau-
steine des: Glykogens enthalten. Dazu kommt dann noch als erster Ein-
griff die Aufspaltung der Anhydridbindung ?), dann erst dürfte die Lösung
von Bindungen zwischen Bausteinen erfolgen.
Man muß sich zunächst an die Tatsachen halten. und diese sprechen
für eine außerordentlich weitgehende Spezifität der Karbohydrasen. Emil
Fischer?) hat zum erstenmal mit weit ausschauendem Blick auf die engen
Bezie hungen zwisehen der Konfiguration der Substrate und der Fermente
hingewiesen. Zu den bereits S. 988 ff. geschilderten Erfahrungen über die
spezifische Einstellung der Fermente sei noeh das folgende Beispiel hinzu-
gefügt:
Aus Glukose ist eine Methylpentose, nämlich das Methyl-d-iso-
rhamnosid synthetisch gewonnen worden. Es blieb dabei die Konfiguration
der Glukose erhalten. weıl die Umsetzungen . nicht an den asy mmettischen
Kohlenstoffatomen erfolgten. Dieses Glukosid 1äßt sich durch Emulsin
spalten, während Ç -Methyl- xylosid von ihm nicht angegriffen wird.
Man kann das künstlich dargestellte Glukosid, wie die folgenden Formeln
') Dal Maltase und «-Glukosidase nicht identisch sind, beweisen Versuche von
Aubry: J. Pharm. e Chim. (7). 10. 23 (1914).
2) Vel, Teil I, S. :
3) Emil Fischer: nl f. physiol. Chemie. 26. 61 (1898)