410 XXII. Vorlesung
späterhin in den gewöhnlichen Nahrungsmitteln, soweit in diesen die in
mancher Beziehung recht empfindlichen, noch unbekannten Nahrungsstoffe
nicht infolge der Art der Zubereitung vernichtet sind, aufgenommen
werden, und wonach bestimmte Nahrungsmittel auf die Dauer nicht im-
stande sind, eine vollwertige Ernährung zu gewährleisten, gesellten sich
bald Erfahrungen, die zum Teil weit zurückliegen, für die man jedoch
eine bestimmte. Ursache nicht ausfindig machen konnte. Es sind dies
Krankheitserscheinungen, die ohne jeden Zweifel an bestimmte Nahrungs-
mittel gebunden sind. Es sind in erster Linie zu nennen der Skorbut
und die Beri-beri. Es ist hier nicht der Ort, auf diese in ihren Erschei-
nungsformen zum "Teil mannigfaltigen, schweren Krankheiten einzugehen.
lemerkt sei nur, daß beim Skorbut!) Lockerung der Zähne und Blutungen
in Schleimhäuten, insbesondere im Zahnfleisch, auftreten. Man ahnte schon
lange, daß diese Erscheinungen in Zusammenhang mit der Art der Er-
nührung stehen, auch hatte man schon Heilmittel gefunden, nämlich
Fruchtsäfte, frische Gemüse, Obst. Auch bei Säuglingen und Kindern ist
eine: skorbutähnliche Erkrankung beobachtet worden. Sie ist Möller-
Darlowsehe Krankbeit genannt worden. Ihr Auftreten scheint mit der
Ernührung von zu hoch bzw. zu lange Zeit erhitzter Mileh in Zusammen-
hang zu stehen.?)
Für das Auftreten von Beri-beri wird die Ernährung mit geschlif-
fenem Reis verantwortlich gemacht. Diese schwere Erkrankung findet
sich hauptsächlich auf den Südseeinseln, in Japan, China. Es sei schließ-
lich noch darauf hingewiesen, daß eine weitere Krankheit, nämlich die
Pellagra3) in Zusammenhang mit der Art der Ernährung gebracht worden
ist. Sie tritt nämlich nur dann auf, wenn Mais einen Hauptbestandteil der
Nahrung darstellt. Daß auch bei der Entstehung der Rachitis bisher
noch unbekannte Nahrungsstoffe eine Rolle spielen sollen, haben wir schon
S. 38 ff. erwühnt.*) Gleichzeitig ist erkannt worden, daß der Gehalt der
Nahrung an Phosphorsäure und Kalk und insbesondere ihr Mengenver-
hältnis zu einander von größter Bedeutung ist. Vielleicht liegt die Wirkung
der noch unbekannten Stoffe in der Schaffung bestimmter Bedingungen,
die zur Ablagerung von Kalk und Phosphorsüure, d. h. ganz allgemein zur
Knochenbildung unerlüülich sind.
') Vgl. z. B. Viktor Salle und Max Rosenberg: Über Skorbut. Ergebn. d. inneren
Med. und Kinderheilk. Julius Springer. Berlin 1920.
?*) H. Neumann; Deutsche Klinik. 7. 341 (1904). A. F. Hess und M. Fish:
Americ. J. of diseases of ehildren. 8. 386 (1914). — J. L. Morse: Boston med. surg. J.
178. 160 (1918); 182. 428 (1920). — B. Leichtentritt: In.-Diss. Berlin 1929.
?) Vgl. z. B. Pietro Rondoni: Arch. di biol. normale e patol. 49. 659 (1915). —
E. V. Me Collum und N. Simmonds: J. of biol. chem. 32. 29, 181, 347 (1917). — E.V
Mc Collum, N. Simmonds und H. T. Parsons: Ebenda. 33. 411 (1918).
*‘) Vgl. die Literatur, Zitat 4, S. 38 und 39. — Ferner: W. E. Elliot, A. Crichton
und J. B. Orr: The British J. of experim. Pathol. 3. 10 (1992). — P. G. Shipley, E. A.
Park, E.V. Mc Collum, .N. Simmonds und E. M. Kinney: John Hopkins Hospital Bull.
33. 216 (1922). W. Stoeltzner: Münchn. med. Wochenschr. 4671481 (1921). — John
Golding, S. S. Zilva, J. C. Drummond und K. H. Coward : Biochemical J. 16. 394 (1922). -
G. Mc Cann und. M. Barnett: J. of biol. chem. 54. 203 (1922). — E. V. Me Collum,
N. Simmonds, J. E. Becker und P. G. Shipley: Ebenda. 54. 249 (1922). — J. F. Mc
Clendon: Proceed. of the soc. for experim. biol. and med. 19. 356, 412 (1922). — 4A. M.
Pappenheimer, G. F. Mc Cann und P. F. Zucker: J. of experim. med. 35. 421, 447
1922). — A. M. Pappenheimer: J. of experim. med. 36. 335 (1922).