Full text: Die anorganischen Nahrungstoffe. Die Bedeutung des physikalischen Zustandes der Zell- und Gewebsinhaltsstoffe für ihre Funktionen. Die Fermente, ihr Wesen, ihre Wirkung und ihre Bedeutung. Probleme des Gesamtstoff- und -kraftwechsels. Stoff- und Kraftwechsel einzelner Organe und Zellen (2. Teil)

  
  
  
  
  
  
   
  
   
  
  
  
  
  
   
  
   
   
  
  
  
  
  
  
   
   
  
  
  
   
  
   
  
  
    
  
  
    
   
    
  
  
    
   
   
   
  
  
  
  
     
    
XXIII. 
  
Vorlesung. 
Wir müssen offen gestehen, daf alle derartigen Untersuehungen nur 
in den wenigsten Füllen ‘für sieh allein ein abschliefendes Urteil über be- 
stimmte Fragen des Stoffwechsels zulassen. Sie sind fast immer viel zu 
kurzdauernd gewesen. Es gehórt eine reiche Erfahrung dazu, um Stoff- 
weehselversuche richtig durchführen zu kónnen! Um nur ein Beispiel her- 
vorzuheben: Wir wissen, daf der Organismus eine Änderung der Kost fast 
immer mit einem „Ausschlag“ im Stoffwechsel beantwortet, d.h. wir be- 
merken, daß die Ausgaben gesteigert sind. Nach einigen Tagen stellt sich 
der Organismus auf die neue Nahrung ein. Er verarbeitet sie ökonomischer. 
Es kann dies mannigfache Ursachen haben. Vor allem besteht die Mög- 
lichkeit einer besseren Ausnutzung infolge einer besseren Verdauung. Die 
Darmflora muß sich auch auf die durch die veränderte Nahrung geschaf- 
fenen Verhältnisse einstellen. Ein kurzfristiger Versuch kann aus diesen 
Erfahrungen heraus zu ganz unrichtigen Schlüssen Veranlassung geben. 
An den Stoffwechse elvers uch am gesamten Organismus mit seiner 
erofen Zahl von versehiedenartigen Zellen, seinen mannigfaltigen Auf- 
gaben und Bedürfnissen dürfen nicht, wie es vielfach geschieht, geringere 
Anforderungen gestellt werden, als an den viel leichter in seinen Bedin- 
gungen zu beherrsehenden Versuch an einer einzelnen Zelle oder an einem 
isolierten Organ. Man ist bei der Deutung der Ergebnisse von Stoffwechsel- 
versuchen vielfaeh viel weniger vorsiehtig, als wenn es gilt, unter viel 
klareren und zum grofen Teil bekannten Bedingungen gewonnene Resul- 
tate zu verwerten. Einzelversuche beweisen nichts. Sie müssen wiederholt 
werden, wo immer möglich an verschiedenen Individuen. Glücklicherweise 
lassen sich eine Reihe. von Problemen des Stoffwechsels auch an Hand 
von Beobachtungen bei frei gewühlter Kost und den gewohnten Lebens- 
bedingungen durchführen. Der Lab oratoriumsversuch stellt immer einen 
tiefen Eingriff in diese dar. Die Möglichkeit, daß psychische Einflüsse mit- 
wirken, läßt sich nicht von der Hand weisen. Je mehr Möglichkeiten wir 
haben, das einzelne Versuchsergebnis durch Beobachtungen unter den 
verschiedensten Bedingungen und unter Anwendung verschiedener Me- 
thoden zu kontrollieren, um so mehr gewinnen die Ergebnisse der Beob- 
ichtungen an. Wert und um so mehr Bedeutung kommt den Schlußfolge- 
rungen zu. 
Jede einzelne Fragestellung muß für sich betrachtet werden. Man 
kann Stoffwechselfragen nicht schematisieren. Es gilt, alle Möglichkeiten 
gezeneinander abzuwägen. Nur die Berücksichtigung aller vorhandenen 
Verhältnisse gestattet zuverlässige Schlüsse, nur sie vermag das so aufer- 
ordentlich schwierige Gebiet vor Verbauungen durch ungenügend gefestigte 
Ergebnisse und Deutungen zu bewahren. Da ver rhältnismäßig wenig tech- 
nische Schwierigkeiten bei der Durchführung der Versuche zu überwinden 
sind, wagen sich manche Forscher an dieses schwierige Gebiet, denen der 
notwendige Überblick über die gesamten Stoffwechselversuche fehlt. Aus 
diesem Grunde glauben viele aus einigen wenigen, ganz kurzfristigen Ver- 
suchen Schlüsse von allergrößter Tragweite ziehen zu können. Ihnen er- 
scheint alles so einfach, was dem Kenner des gesamten Forschungsgebietes 
sich als unendlich verwickelt darstellt 
Es sei auch an dieser Stelle auf die große Bedeutung der Berücksichti- 
eung der in Vorlesung XXII erwähnten, noch unbekannten Nahrungsstoffe 
für die Ernährung hingewiesen. Sie müssen in der Nahrung sichergestellt 
  
   
  
	        
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