544 XXIX. Vorlesung.
Zügen über den Umsatz der einzelnen Stoffe. Eine gewisse Unsicherheit
hängt allen seinen Ergebnissen insoferne an, als er unter vielen Möglich-
keiten mit der wahrscheinlichsten rechnet und außer acht läßt, ob in
einer bestimmten Periode ein bestimmter Vorgang anders verläuft, wenn
er nur in der vorausgesetzten Form stattfinden Kann und auch zur Durch-
führung kommt, wenn die Zeiten der Beobachtung lang genug gewählt
werden. So nimmt der Bilanzversuch im allgemeinen keine. Rücksicht auf
Synthesen. Es ist für die Bewertung der Ergebnisse eines Stoffwechsel-
versuches gleichgiiltig, ob das eben verabreichte Kohlehydrat in Form von
Glykogen zur Ablagerung gekommen oder auch in Fett übergegangen ist,
wenn nur in der Zeit, während der Stoffwechsel bzw. der Energiewechsel
verfolgt wird, Kohlehy drate zum Umsatz kommen. Es ist im allgemeinen
gleichgültig, ob die eben aufgenommenen Nahrungsstoffe umgesetzt werden
oder solche, die früher dem Körper einverleibt wurden. Wir bringen zwar
die. eben festgestellten Ausgaben unmittelbar mit: den zugeführten Ein-
nahmen in Beziehung und Können das auch tun, wenn es uns nur darauf
ankommt, die Stoffwechsel bzw. Energiebilanz in einer bestimmten Periode
kennen zu lernen. Wir werden uns jedoch gerade angesichts der Beob-
achtungen an hungernden Org 'anismen, bei denen die Art der umgesetzten
Stoffe relatir einfach zu erkennen ist, daran erinnern, daß in Wirklich-
keit auch bei Zufuhr von Nahr ungsstoffen von aufen die gleichen Pro-
dukte wie im Hunger innerhalb der Zellen zur Verwendung kommen; Wir
betonen, daß bestimmte Kiweißstoffe, bestimmte Kohlehydratarten (Stärke,
Rohrzucker usw.) und bestimmte F ettarten zur Aufnahme gekommen sind.
Jenseits der RO begegnen wir jedoch immer den gleichen Zucker-
arten — Traubenzucker, Glykogen —, den gleichen Eiweifl- und Fett-
arten, wenn wir nicht durch besondere Maßnahmen die Aufnahme von
körperfremden Stoffen erzwingen (vgl. Teil I, S. 96 ff.).
Es wird nicht Stärke oder Rohrzucker und nicht Olivenöl oder
Hammeltalg und nicht Gliadin oder Kasein in den Körperzellen umgesetzt,
sondern es sind die Bausteine dieser Nahrungsstoffe, die den Ausgangs-
punkt der eigentlichen Abbauvorgänge in den Zellen darstellen. Es sind
die gleichen Produkte, die zum Umsatz kommen, : gleichgültig, ob der
tierische Organismus gezwungen wird, sich von innen heraus zu ernähren.
oder aber, wenn von außen Nahrungsstoffe nachgeschoben werden. Diese
letzteren sind erst verwertbar, nachdem sie in eine den Zellen vertraute
Form übergeführt worden sind, und das ist ganz allgemein die Bau-
steinform.
Aus diesen Überlegungen geht ohne weiteres her vor, daß der Stoff-
wechsel und damit zugleich der Energiewechsel im Hungerzu-
stande in seinem qualitativen Verlauf durchaus nichts beson-
deres darstellt: Es fehlt der Ersatz von außen. Der Organismus spart
und schränkt den gesamten Umsatz nach Möglichkeit ein. Vermag die
Nahrungszufuhr höhere Ansprüche nicht zu befriedigen, hält sie sich an
das eben gerade notwendige, oder besteht gar Unterernährung, dann wird
der Verbrauch, wenn nicht besondere Leistungen, wie äußere Arbeit, hin-
zutreten, ebenfalls auf einer niederen Stufe gehalten.