Die anorganischen Nahrungsstoffe. AT
findlichen Phosphorsáure in freiem Zustande nachweisen kann.!) Ferner
findet man im Darminhalt freie Phosphorsäure bzw. organische Phosphate,
wenn man Phosphatide und Nukleoproteide bzw. Nukleinsäuren verfüttert.
Es spricht somit alles dafür, daß der tierische Organismus anorganische
Phosphate verwerten kann. Hervorgehoben werden muß, daß die bis jetzt
vorliegenden Untersuchungen nicht eindeutig beweisen, daß im Darm-
kanal die Abspaltung der Phosphorsäure aus organischen Verbindungen
eine vollständige ist. Es ist ganz gut möglich, daß auch organische Phos-
phorsäureverbindungen zur Resorption gelangen, und erst in den Geweben
die vollständige Spaltung der zusammengesetzten Verbindung sich. voll-
zieht. Ferner ist es denkbar, daß zu bestimmten Funktionen Phosphorver-
bindungen eigener Art notwendig sind. Unsere Kenntnisse über den Bedarf
des Organismus an einzelnen Stoffen sind noch nicht so umfassende, daß
wir jetzt schon scharf umgrenzte Gesetze aufstellen können. Selbst monate-
lang durchgeführte Versuche genügen in vielen Fällen nicht, um ein end-
gültiges Urteil über die Notwendigkeit des Vorhandenseins eines bestimmten
Elementes in bestimmter Bindung zu fällen. Wir dürfen zurzeit nur aussagen,
daß offenbar Eisen, Kalzium und ferner die Phosphorsäure in an-
organischer Form für viele und vielleicht für alle Funktionen
genügen, ja sogar in dieser Form zur Verfügung sein müssen,
damit die Zellen der Gewebe ihre verschiedenen Bedürfnisse
befriedigen können. Ob außerdem noch besondere Bindungsarten dieser
Stoffe von Bedeutung sind, wissen wir zurzeit noch nicht. Ferner müssen
wir die Möglichkeit offen lassen, daf nieht jede Tierart die gleichen syn-
thetischen Fähigkeiten besitzt.?)
Man hat auch bei der Phosphorsäure, wie beim Eisen und Kalzium,
sich die Frage vorgelegt, was geschieht, wenn sie in der Nahrung in so
geringer Menge zugeführt wird, daß der Organismus seinen Bedarf damit
nieht decken kann.?) Bei wachsenden Hunden treten bald Stórungen in der
Entwicklung der Knochen auf.*) Da man in ganz ähnlicher Weise verändertes
Knochengewebe bei einer schweren Ernährungsstôrung des Kindesalters, der
Barlowschen Krankheit fand, so dachte man an die Möglichkeit, daß diese
durch einen Mangel an Phosphorsäure bedingt sein könnte. Es ist jedoch
auch in diesem Falle ebensowenig wie bei der Rachitis geglückt, den Nach-
weis zu führen, daß das Fehlen einer anorganischen Substanz die Ursache
der genannten Erkrankung ist.
Ausgeschieden wird die Phosphorsäure teils durch die Niere, teils
erscheint sie in den Fäzes. Aus diesem Grunde hält es schwer, eine ein-
deutige Phosphorbilanz aufzustellen.)
1) Vgl. z. B. über das Verhalten des Kaseinogens im Darmkanal A. E. H. Plimmer:
Biochem. Journ. 7. 48 u. 72 (1913).
?) Vgl. hierzu W. Stepp: Biochem. Zeitschr. 22. 451 (1909); Zeitschr. f. Biol. 57.
135 (1911); 59. 366 (1912); 62. 405 (1913); 66. 339, 350, 365 (1915).
3) Vgl. z. B.: Alexander Lipschütz: Archiv f. exper. Pathol. u. Pharmak. 62.
210 (1910).
4j Vgl. u. a. Georg Schmorl: Arch. f. exper. Path. u. Pharm. 73. 313 (1913).
5) Vgl. hierzu Fr. Müller: Virchows Archiv. 131. Suppl. 17, 64 (1893). Er fand
1'8 bzw. 2:29/, des Trockenkots an Phosphor bei zwei Hungerkünstlern. Beim Hunde
wurde der gleiche Wert im Hungerkote festgestellt. — Vgl. dazu: Fr. Müller: Zeitschr.
f. Biol. 2. 334 (1884). — Siehe auch Alex. Lipschütz: Archiv. f. exper. Pathol. u. Pharm.
62. 244 (1910).