Full text: Die Baustillehre (12. Band)

    
  
hatten. Alle Verhältnisse im Betriebe und ider Erlernung der Kunst wurden durch eine 
Steinmetzordnung geregelt, deren älteste die von Regensburg aus dem Jahre 1459 ist. 
Als spüter dieser Bund immer weitere Ausdehnung gewann, entstanden Haupthütten in Kóln, 
Wien, Zürich, Strassburg, denen sich die übrigen Bauhütten im deutschen Reiche, in Oester- 
reich und der Schweiz unterordneten. 
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Fig. 265a. Gotische Steinmetzzeichen. 
Der Zweck aller Bauhiitten war, um dies nochmals zu betonen, die Ausbildung und Be- 
schäftigung tüchtiger Steinmetzen, die nach ein- bis fünfjähriger Lehrzeit vom Meister los- 
gesprochene Gesellen wurden. Verstanden sie danach mit der Zeit ihre Kunst so zu be- 
herrschen, dass ihnen die selbständige Leitung eines Baues übertragen wurde, so wirkten sie 
als Meister — nicht als Steinmetzmeister, sondern als Baumeister, als Künstler, d. i. Stein- 
metz*) Bei der mit Zeremonien verbundenen Lossprechung musste der Geselle an Hidesstatt 
geloben, das Kunstgeheimnis zu bewahren, d.h. nicht gehórig Berechtigten nicht zu lehren, 
gehorsam zu sein, auf die Ehre des Handwerks zu halten und sein Steinmetzzeichen **) 
nicht zu ändern. Dann wurde er in die Geheimnisse des Grusses und des Händedrucks ein- 
geweiht, wodurch er als Wandergeselle Eintritt in alle Bauhütten gewann. 
D. Die Grundrissanlage der gotischen Kathedrale in Frankreich. 
Schon zu romanischer Zeit finden wir in Frankreich die basilikale Grund- 
rissanlage in den Städten des Nordens wesentlich bereichert und erweitert. Mussten 
hier schon mit der ständig wechselnden Einwohnerzahl naturgemäss die Kirchen 
grösser werden, so tat die allgemeine Begeisterung für die erhebende Wirkung 
der Grossräumigkeit dazu noch ein übriges. 
Dem Langhaus gab man jetzt fünf Schiffe, ein beherrschendes Mittel- und 
Je zwei untergeordnete Seitenschiffe, so dass sich die städtische Pfarrkirche hier- 
mit zur imponierenden Kathedrale auswuchs. Dazu trat allgemein der den Chor 
umgebende Kapellenkranz. Seinen Ursprung hatte er von den Klosterkirchen 
genommen, wo durch diese Anordnung die Aufstellung vieler Altäre für die 
messelesenden Mönche im Chorraume ermöglicht wurde. Jetzt erhob man mit 
voller künstlerischer Berechnung dieses Motiv zum Glanzpunkte der Hochkirche, 
wo der Bischof selber celebrierte. Die wunderbare Wirkung des Umganges um 
den Chor, wobei zunächst die Seitenschiffe einfach herumgeführt wurden, hatte 
man in Frankreich schon früher schätzen gelernt. Hier hatte aber auch die 
Ueberwólbung die gróssten Schwierigkeiten bereitet, die erst dureh die verbesserte 
Konstruktion des Rippengewólbes gehoben wurden. Indem man nun dem Um- 
gange noch weiter einen reichen Kapellenkranz hinzufügte, erzielte man für 
den inneren Durchblick eine ganz einzige perspektivische Wirkung, die denn 
auch nicht minder dem äusseren Aufbau des Chores zugute kam. In der Grab- 
kirche zu St. Denis war die Apsis noch halbkreisförmig gewesen, und auch die 
Kapellen des Chores zeigen noch den runden Grundriss. Das lag noch in den 
*) Vergl die Inschrift auf dem Grabstein des berühmten Wiener Rathauserbauers 
Friedr. v. Schmidt, „Ein deutscher Steinmetz“. 
**) Steinmetzzeichen, d.i. geometrische, in die bearbeiteten Werkstücke eingeritzte 
Zeichen, die als Monogramme der Gesellen und der Werkmeister zu deuten sind. Sie bildeten 
am Bau Zeichen an den einzelnen Werkstücken, woran man ihren Hersteller erkannte. 
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