Full text: Vorlesungen über Wirkung und Anwendung der deutschen Arzneipflanzen

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Um das Opium zu gewinnen, wird in folgender Weise vorgegangen: Die 
halbreifen Samenkapseln des Mohns werden vorsichtig mit einem scharfen 
Messerchen angeritzt. Sofort tritt an den verletzten Stellen der, in der ganzen 
Pflanze enthaltene, Milchsaft in kleinen Tropfen aus. Diese trocknen an der 
Luft in kurzer Zeit zu kleinen, gelblich gefárbten Krümelchen ein. Felderweise 
wird in dieser Weise vorgegangen, und nach dem Eintrocknen werden die Krümel 
gesammelt und zu einem gróBeren Klumpen vereinigt. Hat er die genügende 
GróDe, so wird er mit Mohnbláttern umhüllt und bildet dann ein sogenanntes 
Opiumbrot. Beim Eintrocknen und weiterhin wird das Opium immer dunkler 
und fester. Schließlich stellt es eine dunkelbraun gefärbte, unregelmäßig brechende 
Masse dar, die einen ganz eigenartigen Geruch besitzt. Der Geschmack des 
Opiums ist bitter, seine Löslichkeit im Wasser unvollständig. Abgesehen von 
Schleim, Harz und sonstigen, in eingetrockneten Pflanzensäften vorkommenden, 
Substanzen enthält das Opium eine ganze Anzahl von Alkaloiden. Man hat deren 
bis zu 26 isoliert, von einigen sind nur Spuren vorhanden. Nach der Intensität 
ihrer Wirkung hat man diese Alkaloide in zwei Gruppen getrennt, die Gruppe des 
Morphins und die des Papaverins. Zur erstgenannten rechnet man das Morphin, 
das Kodein, das Pseudomorphin und das Thebain. Zur Papaveringruppe 
gehören: Papaverin, Kodamin, Laudanin, Laudanidin, Lauda- 
nosin, Tritopin, Mekonidin, Lanthopin, Protopin, Kryptopin, 
Papaveramin, Narkotin, Gnoskopin, Oxynarkotin, Narzein, Hydro- 
kotarnin und Xanthalin. 
Von allen diesen Alkaloiden kommen für den arzneilichen Gebrauch nur das 
Morphin, das Kodein und das Papaverin in Betracht. Die Opiumalkaloide sind 
in der Muttersubstanz nicht in freiem Zustande vorhanden, sondern an eine 
eigentümliche Säure, die Mekonsäure, gebunden. Neben dieser hat man auch 
etwas Milchsäure im Opium nachgewiesen. Über die Wirkungsart der, neben 
dem Morphin und dem Kodein vorhandenen, Alkaloide wollen Sie sich aus den 
Lehrbüchern der Pharmakologie unterrichten. Man hat versucht, einzelne von 
ihnen, wie zum Beispiel das Papaverin, als salzsaures Salz, Papaverinum 
hydrochloricum, mit den Maximaldosen von 0,2 (!) Gramm pro dosi und 
0,6 (!) Gramm pro die, für sich oder mit einander verbunden, in die Therapie 
einzuführen. Zu diesen letzteren Práparaten gehórt das, jetzt offizinelle, aus 
mekonsaurem Morphin und Narkotin bestehende, Narkophin, Narcophinum 
mit den Maximaldosen von 0,03 (!) Gramm für die Einzel- und 0,1(!) Gramm 
für die Tagesgabe. Wir wollen uns lediglich mit der Frage beschäftigen: Wie 
wirken das Opium sowie seine beiden wichtigsten Alkaloide auf den gesunden, 
menschlichen Organismus ein, und welche Hinweise erhalten wir daraus für 
ihre klinische Anwendung ? 
Es ist eigentlich überflüssig, darauf noch besonders aufmerksam zu machen, 
daß es selbstverstándlich nicht gleichgültig sein kann, ob man im konkreten 
Falle das Opium oder nur sein Alkaloid, das Morphin, anwendet. Dies ist immer 
nur ein Bestandteil des Opiums und wird, wenn dies zur Wirkung kommt, durch 
die Anwesenheit und das Mitwirken der übrigen, im Opium vorhandenen, Ver- 
bindungen notgedrungen beeinflußt. Die Erfahrung am Krankenbett hat uns 
längst darüber belehrt, daß für praktische Zwecke es durchaus nicht gleich- 
wertig ist, ob man das Opium in Gestalt irgendeines seiner vorgeschriebenen 
Präparate oder an seiner Stelle nur das Morphin für sich wirken läßt. 
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