Full text: Vorlesungen über Wirkung und Anwendung der deutschen Arzneipflanzen

  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
XI. 
Ganz auffallend groß ist die Zahl von Arten aus der Familie der Umbelli- 
feren, die arzneilichen Wert besitzen oder besitzen sollen. Allerdings 
größte Menge der, dafür in Frage kommenden, Doldengewächse heute nur 
noch in der Volksmedizin geschätzt. Es muß weiteren Untersuchungen über- 
lassen bleiben, auch auf diesem Gebiete über den wirklichen Wert oder den 
Unwert der einzelnen Arten ein endgültiges Urteil zu schaffen. Bei weitaus 
der größten Zahl der uns hier interessierenden Pflanzen spielen ätherische Öle, 
die teils in den Samen, teils in den Wurzeln vorhanden sind, die Hauptrolle. 
Aber auch andere Verbindungen, selbst alkaloidischer Art, fehlen nicht, wie 
wir gleich sehen werden. 
wird die 
Conium maculatum (Gefleckter Schierling) 
Die erste Pflanze aus dieser umfassenden Familie, die uns beschäftigen 
soll, ist der Gefleckte Schierling, Conium maculatum. Der Fleckschier- 
ling ist leicht zu erkennen. Er wächst auf Schutt, an Hecken und Wegrändern, 
an Gräben und in auffallend großer Menge und Üppigkeit am Ostseestrande, 
wie zum Beispiel in der Nähe von Greifswald. Er kann unter Umständen bis 
zu zwei Meter hoch werden und zeigt seine, nicht besonders auffallenden, Blüten 
vom Juli ab. Bezeichnend für ihn ist der völlig kahle, an den stärkeren Stellen 
leicht bereifte, Stengel, von dem sich der reifähnliche Beschlag leicht wegwischen 
läßt. In der Regel ist der Stengel, bis in seine feinere Verteilung hinein, mit 
am Grunde recht großen, nach oben hin immer kleiner werdenden, braunroten 
Flecken. bedeckt. Diese Fleckenbildung wechselt aber. Man findet Exem- 
plare, die am Grunde fast ganz und durchweg dunkel braunrot gefürbt sind. 
Andere wieder zeigen die Flecken viel geringer ausgebildet und manchmal 
auch kaum einzelne oder gar keine. Die dreifach gefiederten Blätter zeigen 
tief fiederspaltige Blättchen und diese meist eine weißlich gefärbte Endspitze. 
Die runden Blattstiele sind hohl. Die spindel- oder rübenförmige Wurzel riecht 
und schmeckt. der Mohrrübe ähnlich. Die grünen, eiförmigen Früchte haben 
wellenförmig gekerbte Rippen. Wenn man Schierlingskraut zerquetscht und 
mit etwas starker Sodalösung oder, noch besser, etwas N. atronlauge anfeuchtet, 
so entwickelt sich in kurzer Zeit der sehr eigentümliche, widerliche Geruch 
nach dem sich verflüchtigenden Koniin, der von einigen mit dem Geruch, den 
die Mäuse ausgeben, verglichen wird. 
Das, in der ganzen Pflanze vorhandene, Koniin, Coniinum, der Haupt- 
träger der Schierlingswirkung, präsentiert sich, frisch dargestellt, als eine farb- 
lose, sehr übel riechende Flüssigkeit, die an der Luft unter Braunfärbung sich 
bald zersetzt. Es hat das Koniin in dieser Hinsicht eine große Ähnlichkeit mit 
dem Alkaloid aus der Tabakspflanze, dem Nikotin. Die Salze des Koniins, 
zum Beispiel das Bromwasserstoffsaure Koniin, Coniinum hydro- 
bromicum, sind beständiger. Diese Verbindung löst sich sehr leicht in Wasser 
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