Wir Männer vom Automobil hatten auch in den
Jahren, in denen das Auto in der Bevölkerung etwas
populärer geworden war, an der Tatsache nicht vor-
beigehen können, dass bei Unfällen, an denen Kraft-
wagen in irgendeiner Weise beteiligt waren, stets der
Kraftfahrer vom Gericht besonders heftig und streng
angepackt wurde.
Aus diesem Grunde unternahm der Reichsverband
für Automobilsachverständige im März 1928 eine
anschauliche Veranstaltung. Er lud eine grössere
Anzahl Berliner Richter und Staatsanwälte zu einer
Autofahrt ein, um ihnen einmal alle Schwierigkeiten
vor Augen zu führen, die der Lenker eines Wagens
auf der Fahrt vorfindet, sei es Fussgänger, Rad-
fahrer usw. Auch die Möglichkeiten der Brems-
wirkung, die vorkommenden Situationen bei schneller
und langsamer Fahrt... alles sollte gezeigt werden.
Die Vorführung war geradezu segensreich.
Nach einer grósseren Fahrt wurden auf der Avus
Bremsprüfungen unternommen. Die Herren Richter
und Staatsanwälte, die wohl bis dahin geglaubt
hatten, dass man einen Wagen, der im 60-Kilometer-
Tempo fuhr, auf unwahrscheinlich kurze Brems-
strecken zum Stehen bringen könnte, waren etwas
verdutzt.
Wir fuhren dann einzeln mit verschiedenen Ge-
schwindigkeiten an den Herren vorbei, und sie wur-
den gebeten, die Geschwindigkeiten der einzelnen
Wagen zu schätzen.
Keiner der Herren konnte auch nur annähernd
die richtige Geschwindigkeit angeben. Sie sahen ein,
dass eine richtige Schätzung beinahe unmöglich ist.
Das ihnen zu zeigen, war ungeheuer wichtig, denn
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