Leipzig. In der Regel dürfen Privatgutachter dort
nicht sprechen. Der Reichsgerichtsanwalt stand plötz-
lich auf, führte aus, dass ich der älteste Konstrukteur
sei, der schon zum Beginn der Autofabrikation dabei-
gewesen sei, und er bitte, mich reden zu lassen. Der
Senat beschloss in diesem Sinne, und ich habe damals
zum ersten Male am Reichsgericht gesprochen.
Im Reichsverband der Automobilsachverständigen,
dessen Präsident ich war, drehten wir in jener Zeit
einen sehr lehrreichen Film. In ihm stellten wir drei
Unglücksfälle dar. Bevor wir ihn im ganzen Reich
vorführten, luden wir in Berlin Richter, Staatsanwälte,
Rechtsanwälte und Ingenieure ein, ihn anzusehen.
Es war eine grosse Gesellschaft zusammen.
Zunächst baten wir eine Anzahl Damen und Her-
ren, sich den Film genau anzusehen und sich möglichst
jede Einzelheit zu merken. Als das geschehen war,
| mussten sie hinausgehen, und nunmehr führten wir
den Film den Vertretern der richterlichen Gewalt vor.
i Dann wurde eine regelrechte Gerichtssitzung abge-
halten. Die Damen und Herren wurden einzeln
hereingerufen und sollten nun Zeugen spielen und
erzählen, was sie alles festgestellt hatten, besonders,
wie nach ihrem Eindruck der Unglücksfall sich er-
eignet habe.
Das Ergebnis war erstaunlich. Keiner und niemand
konnte eine absolut richtige Darstellung geben, ja,
man kann ruhig sagen, dass sämtliche Aussagen falsch
waren. Nur einer einzigen Dame war es gelungen,
ziemlich sicher angeben zu können, was sie zehn
Minuten vorher gesehen hatte.
Es brauchte keiner grossen Diskussion, um die
Folgerungen daraus zu ziehen. Der Wert von Zeugen-
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