Full text: Lateinische Paläographie (Band 1, Abtlg. 1)

  
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AUS DEM VORWORT ZUR ERSTEN AUFLAGE. 
Von Zeit zu Zeit drängt jede Wissenschaft zu übersichtlicher Zusammen- 
fassung. Die meisten Wissenszweige haben längst ihre, wissenschaftlichen An- 
forderungen entsprechenden, Grundrisse und Handbücher, selbst unsere nächsten 
Nachbargebiete, wie die Rechtsgeschichte, Staatswissenschaft, Kirchengeschichte, 
Literaturgeschichte sind mit solchen versehen, während die Geschichtswissenschaft 
sie entbehrte. Gerade die Geschichtsforschung aber hat in den letzten Jahrzehnten 
sich so sehr ausgedehnt und spezialisiert, und auf all ihren Teilgebieten ist eine 
so rege Detailarbeit entfaltet worden, daß wir in Gefahr waren, die Übersicht zu 
verlieren. Es war lange niemand da, der einmal regelrechte Ernte abhielt und 
einsammelte, der die Ergebnisse buchte und die Bilanz unserer Wissenschaft zog. 
Der Lernende stand oft ratlos vor der Fülle der Einzeluntersuchungen, die er 
nicht bewältigen konnte, und sehnte sich nach einem Führer, der ihm die Richt- 
wege zeigte. . . . Aus diesem lang gehegten Bedürfnis heraus entsprang der Ge- 
danke, einen ,Grundri& der Geschichtswissenschaft" herauszugeben. 
.... Da der ,GrundriB^ in erster Linie für Studierende bestimmt ist, 
sucht er in knapper Zusammenfassung und in übersichtlicher Darstellung seiner 
Aufgabe gerecht zu werden.  Gewisse Ungleichmáfigkeiten ließen sich bei dem 
ersten Versuch nicht vermeiden, eine eventuelle Neuauflage wird gróBere Gleich- 
fórmigkeit herstellen können. In einer Hinsicht aber ist eine praktische Erwägung 
Veranlassung zu größerer Ausführlichkeit der Darstellung geworden, nämlich bei 
solchen Gebieten, die noch sehr im Ausbau begriffen sind, und die zur Vertiefung 
und zur Weiterarbeit einladen, wie im ersten Bande die Diplomatik der Papst- 
urkunde und der Privaturkunde. Durch eine derartige Behandlung soll gezeigt 
werden, daß auf diesen Gebieten manches noch flüssig ist und nach Festigung und 
Form ringt. Das soll anspornen zur Mitarbeit, zum Vergleichen und Beobachten, 
sowie zum Sammeln entlegener Merkmale und Zeugnisse. Durch reiche Literatur- 
 angaben, besonders in Kontroversfragen, ist der Leser des „Grundriß“ in die Lage 
gesetzt, das Gebotene weiter zu verfolgen und die Begründung des ausgesprochenen 
Urteils zu prüfen. Die vorgelegte Literatur soll ihm Anregung geben, nicht nur 
die Fundamente des Gebäudes aufzusuchen, sondern auch die Umgebung näher 
kennen zu lernen. 
Der „Grundriß“ soll auf der Hóhe der wissenschaftlichen Er- 
rungenschaften der Geschichtsforschung stehen. Er soll das 
Neueste berücksichtigen und so den augenblicklichen Stand der 
Geschichtswissenschaft in den behandelten  Einzeldisziplinen 
wiedergeben. Nicht die abgeklärten sicheren Ergebnisse allein, 
auch die neuaufgeworfenen, die ungelösten und zur Diskussion 
stehenden Fragen werden erörtert. 
So möge es denn dem „Grundriß“ beschieden sein, zu einer möglichst viel- 
seitigen Ausbildung der studierenden Historiker beizutragen und so ergänzend und 
vertiefend den geschichtlichen Universitätsvorlesungen zur Seite zu treten. 
Münster, Januar 1906. 
  
 
	        
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