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Zweit. Hauptabschn.: Entwickel. d. lat. Schrift. Acht. Kap.: Die Minuskel v. 10. b. z. 12. Jahrh. 93
St. Gallener Schrift!) des Abtes Ekkehard IV. (1 ca. 1060) vergleichen mit der des Mónches Lambert
im Kloster St. Maur-des-Fossés aus dem Jahre 1029—1030, 59a (71b).
In diesem Zusammenhang mag der Beobachtung Erwähnung geschehen, die
auch WATTENBACH ausgesprochen hat, „daß im allgemeinen der Westen vor dem durch-
schnittlichen Standpunkt um ein halbes Jahrhundert voraus ist, der Osten um ebenso-
viel zurückbleibt“?), wiewohl dieses wichtige Moment eigentlich für die spätere Periode
mehr Geltung gewinnt, überall aber erst nach genauerer Prüfung des lokalen Schrift-
charakters berücksichtigt werden kann.
Das 10. und 11. Jahrhundert bildet für den Südosten und speziell für Bayern
eine Zeit glänzenden Aufschwungs im Schrift- und Buchwesen. Die bedeutsame Stellung,
die die Regensburger Buchausschmückung in dieser Periode gewonnen hat, ist bereits
eingehender untersucht worden.?) Eines der schönsten Denkmäler dieser Malerschule,
das Uta-Evangeliar von Niedermiinster (1002—1025) (Mon. pal. III, 4) zeigt eine Mi-
nuskelschrift, die durch ihren breiten, runden Zug, den wir hier überhaupt als Grund-
typus kennen, zwar an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig läßt, aber weit zurück-
steht hinter den eleganten Schriftwerken des Westens. Gleichzeitig oder wenig später
tritt auch die Salzburger Malerschule mit prächtigen Leistungen, besonders an kirch-
lichen Büchern hervor, deren eines, das Antiphonar, früher der zweiten Hälfte des 11.,
nun aber mit Rücksicht auf den Schriftcharakter der verschiedenen Hände, die daran
beteiligt. waren, dem zweiten Viertel des 12. Jahrhunderts zugeschrieben wird (Mon.
pal. VIII, 6—8). Im AnschluD daran móchte ich noch hinweisen auf die angeblich auch
Schon dem 11. Jahrhundert angehórige Schreib- und Malerschule in Bóhmen?), als deren
Werke der Wyschehrader Kodex des Krónungsevangelistars K. Wratislaws, das Evan-
gelistar von St. Veit in Prag und zwei weitere dermalen in Krakau und Gnesen auf-
bewahrte Codices angesehen werden. Merkwiirdig ist, daB das erste dieser Werke noch
in dieser Zeit durchaus in Majuskel geschrieben ist, die unschôn und schwerfällig kapitale
und unziale Formen mischt. Daß aber in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts in
Böhmen in zwar wenig gewandter, aber dem bayrischen Charakter nah verwandter
Buchschrift geschrieben wurde, beweist die Gründungsurkunde des Leitmeritzer
Kapitels und. ist um so wahrscheinlicher, als Daten vorhanden sind, welche bezeugen,
daß in jener Zeit Handschriften aus Regensburg nach Bóhmen übersandt wurden.5)
§ 2. Das 12. Jahrhundert.
Zum 12. Jahrhundert übergehend muf! man vor allem der vollendet schónen
Schriftwerke gedenken, die in dieser Zeit in italienischen Schreibschulen entstanden
und die dann in der Periode der Renaissance des 15. Jahrhunderts die Muster für eine
Schriftreform darzubieten vermochten. Diesen kalligraphischen Stil finden wir, wenn
auch nicht immer in so reinster Form, wie in der Homilienhandschrift, auf die THOMPSON
(S. 271, 272) hinweist, vielfach in den aus dem Süden und Südwesten stammenden
Handschriften wiederkehren ; so in der Handschrift des Pantechnon (Dispositio regalis)
1) Die Schriftentwicklung von St. Gallen läßt sich an einer Reihe von Faksimiles in diesem
Werke verfolgen: T. 51b (63a) vom J. 872—883, T. 55b (63c) vom J. 933, T. 56 (70) vom J.
ca. 1000; neuerdings durch das reiche Material in den Mon. pal. Lief. XIV, XV bedeutend vermehrt.
2) Anleitung S. 39.
: 3) SWARZENSKI, Denkmäler der süddeutschen Malerei des frühen. Mittelalters. 1. Teil: Die
Regensburger Buchmalerei des 10. und 11. Jahrhunderts. Leipzig 1901. 2. Teil: Die Salzburger
Malerei von den ersten Anfängen bis zur Blütezeit des romanischen Stils. Leipz. 1908.
„ 4) F. I. LEHNER, Die böhmische Malerschule des XI. Jahrhunderts. Band I, Prag 1902.
5) Vgl. G. FriepricH, Prolegomena k Geské diplomatice. I. (Rozpravy der bóhm. Akad.
d. Wiss. Jahrg. XI, Nr. 2 (1901), S. "ff. mit einem. Faksimile dieser. Urkunde.)